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Health-IT |

Produktivitätsgewinne: Digitalisierung war gestern

Ist die Digitalisierung die Zukunft der Arbeit? Auch. Aber wichtiger für die Wirtschaftskraft eines Landes und die Gesundheit seiner Bevölkerung sind andere Dinge.

Zukunftsforscher Erik Händeler auf dem VISUS-Symposium 2019 in der Bochumer Jahrhunderthalle, Bild: © Visus Health IT

„Ich gehöre zu denen, die glauben, dass der Mangel an Gesundheit der ökonomische Flaschenhals ist, der uns zu Veränderungen zwingen wird“, sagte der Zukunftsforscher, Journalist und Buchautor Erik Händeler, der beim diesjährigen VISUS-Symposium in Bochum die Keynote hielt. Betriebswirtschaftliche Kernprobleme des Mittelstands seien heute, geeignete Mitarbeiter zu finden sowie steigende Lohnnebenkosten abzufedern.

 

Beidem lasse sich nicht primär durch mehr Digitalisierung, sondern vor allem durch mehr Gesundheit begegnen: „Wenn wir in Gesundheit investieren, senken wir die Lohnnebenkosten“, so Händeler. Denn gesunde und zufriedene Menschen arbeiteten gerne länger und seien weniger krank. Davon profitiere auch die Volkswirtschaft: „Gesundheit wird nicht durch mehr Ausgaben für Pflege oder Medikamente zum Wachstumsmotor, sondern dadurch, dass sich teure Bildung länger amortisieren kann.“

 

Hat die Digitalisierung ihren Zenit überschritten?

Aber sind es nicht Computer und Digitalisierung, die uns Produktivitätsgewinne verschaffen sollen? Hören wir das nicht an allen Ecken und Enden? Für Händeler ist diese These in der heutigen Zeit nicht (mehr) wirklich haltbar. Denn die großen Produktivitätsgewinne durch Digitalisierung seien zumindest in den meisten Branchen längst gehoben: „Wir digitalisieren schon seit über zwanzig Jahren und haben dadurch einen gewaltigen Wohlstandsschub erlebt. Die Zeiten, in denen Computer in großem Stil produktiver machten, sind vorbei.“

 

Die Frage ist allerdings, inwiefern das für alle Branchen gleichermaßen und insbesondere auch bereits für das Gesundheitswesen gilt. Händeler sagte, er sehe schon Hinweise, dass es im Gesundheitswesen derzeit eine Art nachholende Digitalisierung gebe. Dennoch zeigte er sich grundsätzlich überzeugt davon, dass sich Wissensarbeit jeglicher Art durch Computer nicht mehr unbegrenzt lange werde effizienter machen lassen.

 

Platzhirsche und Primadonnen: Bitte abtreten.

Was aber tun, um weiterhin Produktivitätszuwächse zu generieren und die Wirtschaft am Laufen zu halten? Händeler plädierte für eine „Arbeit am Menschen“, die er als die große Aufgabe der nächsten Jahre und Jahrzehnte ansieht. Strikte Hierarchien sowie platzhirsch- und primadonnenhaftes Gehabe von Vorgesetzten koste in einer Wissensgesellschaft, in der Produktivität nicht durch quantifizierbare Produkte oder Dienstleistungen, sondern immer stärker durch „unscharfe Gedankenarbeit, Planen und Verstehen“ generiert werde, viel Geld und viel Gesundheit.

 

„Meine These ist, dass es heute immaterielle Prozesse zwischen Menschen und in Organisationen sind, die die größten Produktivitätsfresser sind“, so Händeler. Technologie helfe dagegen leider gar nicht, wohl aber eine neue zwischenmenschliche Ethik, die Wahrhaftigkeit über Manipulation stelle, die dafür eintrete, Konflikte fair zu klären statt sie zu unterdrücken, die nicht nur Eigennutzen, sondern auch Fremdnutzen schätze und die darauf abziele, das gesamte Wissen einer Organisation zu mobilisieren statt bestimmte Personen oder Sichtweisen von vornherein zu verabsolutieren.