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Forschung |

Schlafstudie "GET Sleep" startet: Wirksamkeit online-gestützter Verhaltenstherapie

Europas größte Studie zur Wirksamkeit online-gestützter, kognitiver Verhaltenstherapie bei Schlafstörungen startet

Quelle: getsleep.de

In einer großangelegten Studie untersuchen Experten seit Mitte Oktober die Wirksamkeit online durchgeführter, kognitiver Verhaltenstherapie bei Schlafstörungen. In dem Projekt “GET Sleep” arbeiten Wissenschaftler des Instituts für Allgemeinmedizin vom Universitätsklinikum Freiburg, Psychologen von HelloBetter, die BARMER Krankenkasse und weitere Partner über einen Zeitraum von vier Jahren zusammen. Ziel ist es, die Versorgungseffizienz für Betroffene mit chronischen Schlafstörungen zu verbessern. Niedergelassene Allgemeinmediziner in Baden-Württemberg und Bayern können ab sofort am Projekt teilnehmen und damit einen Beitrag zur Evaluation neuer Online-Behandlungen leisten.

 

Studien zufolge1 leidet etwa jeder zehnte Deutsche unter Ein- oder Durchschlafstörungen. Die Empfehlungen der S3-Leitlinie für Insomnien sieht zunächst eine psychotherapeutische Behandlung vor. Allerdings erhält Schätzungen zufolge nur ein Prozent der Betroffenen eine Therapie entsprechend der Leitlinien. Vielfach wird stattdessen ausschließlich auf eine medikamentöse Behandlung zurückgegriffen. Mit dem Projekt “GET Sleep” werden jetzt neue Erkenntnisse über eine Stepped Care-Lösung (Vorgehen in mehreren Stufen)  zur verhaltenstherapeutischen Behandlung bei Schlafstörungen gewonnen. Im Fokus steht ein therapeutengestütztes, internetbasiertes Training, das auf der kognitiven Verhaltenstherapie für Insomnien basiert. 

 

Dr. Elena Heber, promovierte Psychologin und Mitgründerin von HelloBetter: “Die online-gestützte Behandlung ermöglicht es Betroffenen, eine adäquate kognitive Verhaltenstherapie ohne Wartezeiten durchlaufen zu können. Das Programm wird individuell an die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten angepasst und kann beispielsweise auch in strukturschwachen Regionen eine leitlinienkonforme Unterstützung sicherstellen.”

 

Übernahme in die Regelversorgung denkbar 

In der cluster-randomisierten kontrollierten Studie “GET Sleep” werden drei Varianten einer neuen Versorgungsform für Schlafstörungen mit der aktuellen Regelversorgung verglichen. Verläuft die Evaluation positiv, kann das neue Vorgehen in die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses und somit in die Regelversorgung aufgenommen werden. Die Behandlung erfolgt in drei Stufen: Zunächst werden in einer hausärztlichen Erstbehandlung grundlegende Informationen zu Schlaf und Schlafstörungen sowie “schlafhygienische Regeln” vermittelt. Entsprechende Infomaterialien sowie eine Schulung erhalten die teilnehmenden Ärzte durch das Studienteam des Universitätsklinikums Freiburg. Tritt keine Besserung ein, folgt nach vier Wochen eine kognitive Verhaltenstherapie. In ihr lernen die Teilnehmenden online am Computer oder per Smartphone individuelle Techniken, um ihren Schlaf zu verbessern. Das Online-Training wird in zwei von drei Gruppen durch eine Psychologin oder einen Psychologen begleitet. Führen auch diese Maßnahmen nicht zu signifikanten Verbesserungen, erhalten die Studienteilnehmenden in der letzten Stufe eine ambulante psychotherapeutische, psychiatrische oder schlafmedizinische Fachbehandlung.

 

Studie leistet Beitrag zu Evidenz neuer Online-Behandlungen 

“Eine medikamentöse Behandlung von Schlafstörungen kann zu einer Gewöhnung oder gar Abhängigkeit führen. Bei älteren Patienten treten als Folge auch Verwirrtheitszustände oder Stürze auf. Die verhaltenstherapeutische Behandlung ist somit risikoärmer und vielfach wirksamer”, sagt Prof. Dr. Dr. Kai Spiegelhalder, Leiter des Projekts von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uniklinik Freiburg. “Die Ergebnisse der Studie werden im Hinblick auf Wirkung und Potenziale online-gestützter Therapiemodelle in der Behandlung von Insomnien wegweisend sein. Bei einer Überführung in die Regelversorgung können künftig bundesweit nahezu alle Versicherten, die unter Schlafstörungen leiden, von der neuen Versorgungsform profitieren.”

 

Insgesamt sollen an der Studie mehr als 4000 Patientinnen und Patienten teilnehmen. Die Evaluation der Behandlung verantwortet die Universität Ulm. Sechs Monate nach der Behandlung wird erhoben, wie sich die Teilnehmenden der online-basierten Verhaltenstherapie im Vergleich zu den Patientinnen und Patienten der regulären Behandlung fühlen. Neben dem Schweregrad der Insomnie werden die Veränderungen in anderen schlafbezogenen Parametern, körperliche Symptome, Kosten und mögliche negative Effekte untersucht.

 

Interessierte Betroffene deutschlandweit sowie Allgemeinmediziner aus dem Raum Bayern und Baden-Württemberg können sich unter www.getsleep.de informieren und ab sofort für die Teilnahme an der Studie anmelden.

 

Hintergrundinformationen zur Studie:

  • Projektzeitraum: 01.10.2019 - 30.09.2023
  • Konsortialpartner des Projekts: Universitätsklinikum Freiburg, Universität Ulm, HelloBetter, BARMER, Klinikum Nürnberg Nord, Ideamed GmbH
  • Projektleitung: Prof. Dr. Dr. Kai Spiegelhalder und Prof. Dr. Dieter Riemann vom Universitätsklinikum Freiburg (Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie)
  • Gefördert durch: Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses
  • Projektrahmen:
    • Teilnehmen können ausschließlich gesetzlich versicherte Patientinnen und Patienten
    • Lokale Hausärzte in Baden-Württemberg und Bayern
    • Online-Hausärzte deutschlandweit

     

    1  Hapke, U., Maske, U. E., Scheidt-Nave, C., Bode, L., Schlack, R., & Busch, M. A. (2013). Chronischer Stress bei Erwachsenen in Deutschland. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz, 56, 749-754. / Ohayon, M. M. (2002). Epidemiology of insomnia: what we know and what we still need to learn. Sleep Medicine Reviews, 6, 97-111.