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Vernetzung |

Streit ums eRezept: Bald 10 Frontends für Versicherte?

Die Pilotprojekte sind noch nicht einmal angelaufen, da gibt es schon deutliche Kritik an den Plänen der Bundesregierung und der gematik für das elektronische Rezept.

Quelle: © fotohansel

Dass sich die Bundesregierung endlich der eRezepte annehmen will, dafür erntet sie im deutschen Gesundheitswesen viel Zustimmung. Angesichts der Tatsache, dass immer mehr Länder um Deutschland herum mehr oder weniger vollständig digital rezeptieren, ist das auch nicht weiter verwunderlich. Nun geht es allerdings an die Detailplanung, und es ist – wieder einmal – etwas Eile geboten: Erste Pilotprojekte für das eRezept sollten eigentlich längst laufen. Nur punktuell passiert das schon. Am Horizont steht drohend das Datum Mitte 2020, zu dem die gematik ihre offizielle, TI-kompatible Spezifikation für das eRezept vorlegen muss.

 

Unterhuber: „Integriertes Konzept statt Stand-alone-Lösungen“

Die ursprüngliche Idee war, dass eRezept-Modellprojekte unterschiedliche eRezept-Szenarien testen, die dann in den gematik-Prozess einfließen. Weil das alles etwas knapp wird, ist die Realität aber eher so, dass die Modellprojekte auf die Planungen der gematik schielen müssen. Entsprechend aufmerksam werden diese in der Branche beäugt. „Grundsätzlich stehen wir dem eRezept und den Modellversuchen sehr positiv gegenüber“, sagt beispielsweise der Vorstandschef der Siemens BKK, Dr. Hans Unterhuber gegenüber E-HEALTH-COM. „Das eRezept baut Bürokratie ab, und es kann zur Patientensicherheit beitragen, zum Beispiel wenn bei Abgabe eines Medikaments in der Apotheke gleich der elektronische Medikationsplan aktualisiert oder Einnahmeerinnerungen aktiviert werden.“

 

Genau das werde aber nicht durchgängig möglich sein, so Unterhuber, weil das eRezept nach den aktuellen Überlegungen als eine „Stand alone“-Lösung konzipiert sei. „Das an sich ist vielleicht im ersten Schritt noch kein Problem. Wir können nicht mit einer Maximallösung starten. Aber zumindest sollten die Grundlagen so gestaltet werden, dass die eRezept-Anwendung sinnvoll erweitert werden kann, ohne alles wieder einstampfen zu müssen.“

 

Was das angeht, ist Unterhuber und sind auch andere Krankenkassenvertreter eher skeptisch. Die aktuelle Spezifikation des eRezepts, die in den Pilotprojekten genutzt werden soll, definiere das eRezept als ein eigenständiges, von der elektronischen Patientenakte (ePA) völlig unabhängiges Frontend-Modul. „Dadurch hat der Versicherte zwei verschiedene Module oder Apps, die nicht miteinander integriert sind. Wird dieses Konzept auch für die weiteren Anwendungen fortgeführt, dann muss der Versicherte zukünftig mit weit mehr als zehn verschiedenen Frontends zurechtkommen. Das ist nicht nutzerfreundlich“, so Unterhuber.


Fernbehandlung und Versandapotheken werden ausgebremst

Der Kassenchef wünscht sich stattdessen ein ganzheitliches Konzept, das die unterschiedlichen gematik-Anwendungen zusammenbringt. Es geht ihm dabei nicht darum, das eRezept zwingend in die ePA zu integrieren und so deren Freiwilligkeit auszuhebeln. Er plädiert nur dafür, dass die Anwendungen technisch so kompatibel sind, dass Versicherte, die mehrere Anwendungen nutzen wollen, nicht dadurch bestraft werden, dass es mit jeder zusätzlichen Anwendung umständlicher wird.

 

Das gelte nicht zuletzt für das Verhältnis zwischen eRezept und eMedikationsplan, so Unterhuber. Die derzeitigen Planungen besagten, dass die Integration zwischen eigenständiger eRezept-Plattform und eMedikationsplan über die Primärsysteme, also Krankenhausinformationssysteme und Praxisverwaltungssysteme, erfolgen solle. Dies sei zum einen ein stark von der Mitarbeit der Primärsystemhersteller abhängiges Verfahren; es habe außerdem den Nachteil, dass der eMedikationsplan bei Nutzung von Fernbehandlung oder Versandapotheken nicht aktualisiert werden könne. „Sobald der Versicherte den digitalen Weg über Fernbehandlung nutzt oder bei einer Online-Apotheke bestellt, hat er keinen aktuellen eMedikationsplan. Das ist für den Versicherten schwer nachvollziehbar. Eine Integration über die ePA würde hier deutlich mehr Sinn machen“, so Unterhuber.


„Die eRezept-Lösung greift viel zu kurz“

Auch in manch anderer Hinsicht hält Unterhuber die derzeitigen eRezept-Pläne für unausgegoren bis umständlich. So müssten dadurch, dass das eRezept als eigenständige Anwendung konzipiert werde, Backend-Dienste für Authentisierung oder Autorisierung doppelt betrieben werden. Auch soll jeder Versicherte beim eRezept einen Token erhalten, um sich bei der Einlösung des Rezepts zu authentifizieren: „Die Übertragung des eRezept-Tokens zum Versicherten soll über einen eigenen Kommunikationsweg außerhalb der Telematikinfrastruktur möglich sein. Sicherer wäre es jedoch, wenn das eRezept über den geschützten Weg in die ePA eingestellt werden würde. Da die Übertragung dann vollständig innerhalb der TI erfolgen würde, könnte auch der Token entfallen“, so der Siemens-BKK-Vorstand.

 

Auch inhaltlich greift die eRezept-Lösung nach Auffassung von Unterhuber deutlich zu kurz. So fokussiere sie ausschließlich auf das eRezept, statt sich breiter aufzustellen und auch anders geartete elektronische Verordnungen zu ermöglichen. Eine solche breite Plattform soll demnächst beispielhaft in einem Pilotprojekt im Gebiet der KV Hessen erprobt werden. Was Unterhuber vorschwebt ist, dass die gematik statt eines reinen eRezepts allgemeine eVerordnungen definiert, die in der ersten Version dann erst einmal ausschließlich für eRezepte genutzt, später aber erweitert werden können.

 

Besonders schwierig sei das nicht, so Unterhuber: „Als Ergänzung zur aktuellen Spezifikation müsste die gematik lediglich berücksichtigen, dass es neben den nicht genehmigungspflichtigen Verordnungen wie Arzneimittel und Heilmittel auch genehmigungspflichtige Verordnungen, also etwa eine Muster 61 (Reha)-Verordnung gibt. Für diese Verordnungen müsste der aktuell spezifizierte Ablauf um die Schleife ‚Genehmigung durch die Krankenkasse‘ erweitert werden.“

 

Weitere Informationen:

E-Rezept-Projekt von KV Hessen, AOK Hessen und DAK und Optica: details-news/e-rezept-wir-wollen-eine-breite-plattform-fuer-alle-versorger/

https://e-health-com.de/details-news/e-rezept-wir-wollen-eine-breite-plattform-fuer-alle-versorger/