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Health-IT |

SVDGV-Kritik am DiGA-Bericht 2024 des GKV-SV: Zum 4. Mal vorbei an der Versorgungsrealität

In den vier Jahren seit ihrer Einführung haben sich Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) fest in der Versorgung etabliert. Allerdings negiert der gerade vorgelegte vierte DiGA-Bericht des GKV-Spitzenverbandes den Erfolg der evidenzbasierten Therapie mit DiGA, von denen bis zum heutigen Tag nahezu eine Million Menschen in Deutschland profitieren konnten. Überdies ignoriert der DiGA-Bericht des GKV-SV einvernehmlich geschlossene Vereinbarungen und weist gravierende inhaltliche wie qualitative Mängel auf. Der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV) kritisiert insbesondere vier haltlose Behauptungen des GKV-Spitzenverbandes zur Preisbildung und Leistungsvergütung sowie zur Evidenz und Therapiefreiheit.

Vor kurzem hat der GKV-Spitzenverband seinen vierten Bericht über die Inanspruchnahme und Entwicklung der Versorgung mit Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA-Bericht) gemäß § 33a Absatz 6 SGB V für den Berichtszeitraum 01.09.2020 bis 31.12.2024 vorgelegt. Mit dem Digital-Gesetz 2024 haben die Herstellerverbände ab diesem Jahr neu ein Stellungnahmerecht zum DiGA-Bericht des GKV-Spitzenverbandes erhalten.


Unter dem Eindruck dieses Berichts möchte der SVDGV zunächst die Rolle des Erfolgsmodells DiGA in der Versorgungsrealität in Deutschland einordnen.


Die Erfolgsgeschichte der DiGA
So haben sich DiGA hierzulande in der Versorgungslandschaft fest etabliert - und der DiGA-Markt wächst weiter nachhaltig. Das belegen auch die nahezu eine Million Menschen in Deutschland, die bis zum heutigen Tag von DiGA profitiert haben. Schließlich hat Deutschland mit den DiGA als „Innovation made in Germany“ weltweit eine Vorreiterrolle übernommen und ist inzwischen für viele andere Länder ein Vorbild.


„Der aktuelle DiGA-Bericht des GKV-Spitzenverbandes ignoriert nicht nur konsequent diese beeindruckende Erfolgsgeschichte, sondern er erfüllt auch nicht den Anspruch einer sachlich-neutralen Ergebniszusammenfassung“, erklärt Henrik Emmert, Vorstand im SVDGV.


Vier Behauptungen des GKV-Spitzenverbandes im Faktencheck
Im vorliegenden DiGA-Bericht des GKV-Spitzenverbandes finden sich wiederholt Aussagen, die entweder fachlich falsch sind oder die Faktenlage unvollständig bis irreführend darstellen. Der SVDGV möchte vier dieser Behauptungen im Licht der faktenbasierten Sachlichkeit und der geltenden Rechtslage einordnen.

 

1. Höchstbeträge statt Beliebigkeit
Der DiGA-Bericht des GKV-SV pflegt an mehreren Stellen das Narrativ, dass Hersteller angeblich den Preis für DiGA (im ersten Jahr) „beliebig festlegen“ können.

Richtig ist, dass für jede DiGA bereits ab Tag 1 nach der Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis Höchstbeträge gemäß § 134 Absatz 5 Satz 3 Nr. 2 SGB V gelten, deren Berechnung in der Rahmenvereinbarung nach § 134 Abs. 4 und 5 SGB V geregelt ist. Die Grundlagen der Berechnungslogik hinter den Höchstbeträgen hat der GKV-Spitzenverband mit den Herstellerverbänden selbst
verhandelt.


2. Leistungsvergütung statt Finanzierung
Im Zusammenhang mit der Preisbildung spricht der DiGA-Bericht des GKV-SV von einer „Vorfinanzierung“ oder von „direkter Anschubfinanzierung der Herstellenden“ durch die GKV im ersten Jahr.

Richtig ist, dass die Hersteller ihre rechtlich legitime Vergütung einer gesetzlich definierten Leistung der GKV erhalten. Die Hersteller haben vorher erheblich in die Entwicklung der DiGA einschließlich Studien und Zertifizierung investiert. So müssen sie die stetig steigenden Anforderungen von Seiten des Gesetzgebers sowie von Regulierungsbehörden erfüllen. Konkret waren es in den letzten zwei Jahren über 15 gesetzliche Änderungen für DiGA. Dazu kommen verpflichtende ISO-Zertifizierungen, zwei Zertifizierungen in den Bereichen Datenschutz und Datensicherheit sowie weitere Vorgaben hinsichtlich der Interoperabilität beispielsweise zur Anbindung an die elektronische Patientenakte (ePA). Das heißt, dass die Hersteller bereits erheblich in Vorleistung gegangen sind, bevor eine DiGA in der Versorgung eingesetzt werden kann und sie dann die ihnen gesetzlich zustehende Leistungsvergütung erhalten.


3. Erprobungsjahr und Evidenz
Mit Blick auf das Erprobungsjahr vermittelt der DiGA-Bericht den irreführenden Eindruck, dass ungeprüfte DiGA, ohne Evidenznachweis, in die Versorgung kommen. Diese Unterstellung ist Teil der generellen Evidenz-Diskreditierung, die sich durch den gesamten DiGA-Bericht des GKV-SV zieht.

Richtig ist, dass die Hersteller auch bei einem Antrag auf vorläufige Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis Studienergebnisse im Rahmen einer systematischen Datenauswertung vorliegen müssen, die eindeutigen Hinweis auf einen positiven Versorgungseffekt zeigen. Im ersten Jahr wurden dann fast ausnahmslos randomisierte-kontrollierte Studien (RCT), die als Goldstandard der klinischen Forschung gelten, durchgeführt.


4. Behandlungsbedarf und Therapiefreiheit
Der DiGA-Bericht des GKV-SV wirft den DiGA-Herstellern „fragwürdige Kooperationen“ und „aggressive Vermarktung“ vor und stellt die medizinische Notwendigkeit von DiGA-Verordnungen in Frage – insbesondere, wenn sie ohne ärztliche Verordnung im Zuge des Genehmigungswegs von den Versicherten selbst bei ihrer Krankenkasse beantragt werden.
Richtig ist, dass der Gesetzgeber bewusst einen niederschwelligen Zugang zu DiGA – ohne die Notwendigkeit einer ärztlichen Verordnung – geschaffen hat. Ausschlaggebend ist die gesicherte Diagnose (Indikation), auf deren Basis die Krankenkasse selbst in der Verantwortung zur Prüfung des Leistungsanspruchs steht. Damit negiert der DiGA-Bericht überdies in fragwürdiger Weise den Behandlungsbedarf der Patient:innen und die Therapiefreiheit der Ärzt:innen und Therapeut:innen.


„Es ist bedauerlich, dass mit dem vierten DiGA-Bericht erneut die Chance versäumt wurde, den Anspruch einer sachlich-neutralen Darstellung der Versorgung mit DiGA bereitzustellen,“ erklärt Anna Haas, Vorständin im SVDGV. Angesichts dieser gravierenden Mängel regt der SVDGV an, dass der GKV-Spitzenverband den Bericht zukünftig auf den gesetzlichen Auftrag gemäß § 33a (6) SGB V beschränkt oder dass eine neutrale Stelle mit der Erstellung des DiGA-Berichts beauftragt wird.

 

Weitere Informationen
Die ausführliche Stellungnahme zum DiGA Bericht finden Sie hier.


Der vollständige zweite DiGA-Report des Spitzenverbands Digitale Gesundheitsversorgung ist hier erhältlich.

 

Quelle: Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung