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Medizin |

Telemonitoring bei Herzinsuffizienz: Individueller dank KI

Ein KI-gestütztes Sensorpflaster kann bei Herzinsuffizienz Risikopatienten identifizieren, zeigt die US-Studie LINK-HF. Auch in Deutschland setzen Telemediziner auf Maschinenlernen.

Quelle: © Vital Connect

Vor über anderthalb Jahren haben Kardiologen um Friedrich Köhler von der Charité Berlin die Ergebnisse ihrer randomisierten TIM-HF2-Studie vorgestellt. Sie konnten zeigen, dass ein Herzinsuffizienz-Telemonitoring bei guter Auswahl der Patienten die Sterblichkeit senkt. Die Krankenkassen versicherten damals, dass das zügig in die Regelversorgung übernommen werde.

 

Ganz so zügig geht es doch nicht: Im März 2019 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ein Verfahren für die Kostenübernahme eingeleitet. Erst im März 2021 soll darüber abschließend befunden werden. Immerhin: Die Barmer hat kürzlich mit der Charité Berlin einen IV-Vertrag, zur Versorgung herzinsuffizienter Barmer-Versicherter gestartet, die die TIM-HF2-Einschlusskriterien erfüllen. Das Angebot richte sich an Patienten „im Einzugsgebiet der Charité“, so die Krankenkasse. Eine Höchstzahl gebe es nicht. Zeitgleich könnten bis zu 500 Patienten betreut werden.

 

Mit Telemed5000 in die Zukunft des Herzinsuffizienz-Telemonitorings

Für eine wirklich flächendeckende Versorgung wird das nicht reichen. Köhler schätzt, dass deutschlandweit etwa 180.000 Patienten die Einschlusskriterien der TIM-HF2-Studie erfüllen. Davon wird ein gewisser Prozentsatz wegen Demenzen oder anderen Begleiterkrankungen wegfallen, aber rund 120.000 Patienten müssten von einer flächendeckenden Telemonitoring-Infrastruktur wohl abgedeckt werden. Wer das hochrechnet, kommt bei 500 bis 750 Patientenkontakten pro telemedizinischem Zentrum pro Tag auf 150 bis 200 Zentren deutschlandweit, die im 24-Stunden-Betrieb arbeiten. „Das ist finanziell und personell ein unrealistisches Umsetzungsszenario“, so Köhler.

 

Der Kardiologie sieht die Zukunft des Herzinsuffizienz-Telemonitorings daher in einer „Landschaft“ aus deutschlandweit etwa 25 Telemedizinzentren in der Größe des Berliner Zentrums. Diese Zentren übernehmen die Technologie der TIM-HF2-Studie nicht eins zu eins, sondern nutzen ergänzend intelligente Software, um die Patienten individueller betreuen zu können: „Wir brauchen künstliche Intelligenz, um die Patientencharakterisierung zu schärfen und zu einer stärker individualisierten Überwachung zu kommen“, so Köhler. Genau hier setzt das Telemed5000 Projekt an, das die Charité mit Fördergeldern des Bundesministeriums für Wirtschaft gestartet hat. Es zielt letztlich darauf ab, Strukturen zu schaffen, die es erlauben, in einem Telemedizinzentrum ohne Qualitätsverlust deutlich mehr Patienten parallel betreuen zu können – vielleicht bis zu 5000.

 

LINK-HF-Studie: Algorithmus warnt sechs Tage im Voraus

Ein wichtiger Impuls, der auch die deutschen Entwicklungen beeinflussen dürfte, kam in dieser Woche aus den USA. In der Zeitschrift Circulation Heart Failure wurden die Ergebnisse der prospektiven Beobachtungsstudie LINK-HF publiziert, eine Multicenterstudie mit 100 Herzinsuffizienzpatienten, die an vier Veterans Affairs Krankenhäusern wegen akuter Dekompensation hospitalisiert waren und danach entlassen wurden.

 

Die Patienten erhielten bei Entlassung für bis zu drei Monate das Vital Connect Pflaster. Es wird auf den Brustkorb geklebt und erfasst Herzfrequenz, Herzrhythmus, Atemfrequenz, Bewegung, Schlaf und Körperposition. Das Ganze ist hinterlegt mit einer Cloud-basierten Analyseplattform samt einem SBM-Maschinenlern-Algorithmus, der am individuellen Patienten 72 Stunden lang einen Normalzustand lernt und danach, in der Überwachungsphase, die Sensordaten mit der individuellen Norm der ersten 72 poststationären Stunden abgleicht.

 

Das funktionierte gut: Insgesamt gab es bei den 100 Patienten 40 ungeplante, nicht unfallassoziierte Krankenhauseinweisungen, darunter 27 wegen sich verschlechternder Herzinsuffizienz. Je nach statistischem Modell konnten herzinsuffizienzbedingte Hospitalisierungen mit einer Sensitivität von bis zu 88% und einer Spezifität von 85% im Vorfeld erkannt werden. Dabei schlug der erste Alarm im Median gut 6 Tage vor Einweisung an.

 

Dass sich solche Pflaster zur Individualisierung und „Teilautomatisierung“ der Betreuung von Herzinsuffizienzpatienten in einem Telemedizinzentrum nutzen ließe, liegt auf der Hand. Der Ansatz an sich ist auch nicht ganz neu: Auf Basis von Sensordaten aus kardialen bzw. pulmonalvaskulären Implantaten wurden schon in anderen Studien personalisierte Prädiktionen vorgenommen. Das hat auch punktuell schon Eingang in die Versorgung gefunden, zum Beispiel bei ICD-Patienten. Neu ist, dass das Pflaster eine praktikable Risikoeinschätzung bei jenen Patienten liefern könnte, bei denen noch keine Indikation für ein Implantat besteht.


Weitere Informationen

LINK-HF-Studie https://www.ahajournals.org/doi/10.1161/CIRCHEARTFAILURE.119.006513

Telemed5000-Projekt https://www.telemed5000.de/