Wie können jene digital hinterlegten Versorgungsprozesse, die Politik und Selbstverwaltung seit einiger Zeit gebetsmühlenartig beschwören, Wirklichkeit werden? Bei der DMEA in Berlin wurden darauf zwei Antworten gegeben. Sie lauteten elektronische Patientenakte (ePA) und TI-Messenger (TIM). Während die ePA mittlerweile dank Rollout (und dank Chaos Computer Club) Primetime-Status erreicht hat, segelt TIM noch ein wenig unter dem Radar. Doch das könnte sich ändern.
TIM-Projekte der Krankenkassen kommen voran
Denn nicht zuletzt die Krankenkassen drücken bei TIM aufs Gas. Im Zusammenhang mit der DMEA wurde nun endlich auch offiziell bestätigt, dass die Barmer den von ihr ausgeschriebenen TI-Messenger (schon vor vielen Monaten) an die Telekom vergeben hat. Zu hören war außerdem, dass die AOK ein analoges TIM-Projekt mit Akquinet und dem IT-Dienstleister HeptaSphere am Start hat.
Was interessiert die Krankenkassen am TI-Messenger? In erster Linie, dass damit ein gesicherter, Telematikinfrastruktur-konformer, digitaler Kommunikationskanal geschaffen wird, über den Patient:innen erreicht werden können und der sich perspektivisch tief in die ePA integrieren lassen könnte. „Grundsätzlich hat der TI-Messenger das Potenzial, der erste schnelle sektorenübergreifende Sofortnachrichtendienst zu werden, der Versicherte, Leistungserbringer und Krankenkassen zusammenbringt“, so ein Sprecher der Barmer vor einigen Monaten auf Nachfrage von E-HEALTH-COM. „Die Versicherten können durch den Messenger in der ePA mit medizinischem Personal und ihrer Krankenkasse kommunizieren.“
Von Laborbefund-Besprechung bis Hilfsmittelfreigabe
Das klassische Beispiel, das in diesem Zusammenhang immer als erstes genannt wird, ist die Übermittlung von Laborbefunden. Nach einer Blutuntersuchung müssen Patient:innen heute oft erneut in die Praxis kommen, um die Ergebnisse zu besprechen und/oder ein Rezept zu erhalten. Mit dem TI-Messenger (und dem eRezept) kann das digital erfolgen – inklusive Übermittlung des Laborbefunds und Einstellen desselben in die ePA. „Das sollte dann auch entsprechend vergütet sein“, so der Barmer-Sprecher. „Dadurch können Praxisbesuche und Organisationsaufwand vermieden werden. Versicherte hingegen können in ihrer Gesundheitskompetenz gestärkt werden.“
Natürlich sind auch andere Einsatzszenarien denkbar, an denen sowohl Leistungserbringerseite als auch Kostenträgerseite Interesse haben werden. Das gilt zum Beispiel für Kostenträgerfreigaben aller Art, in der Zahnmedizin, aber auch bei Hilfsmitteln. Überhaupt könnte die ganze Kommunikation zwischen Krankenkasse und Versicherten effizienter – und enger – werden. Auch hier hatte der Barmer-Sprecher ein Beispiel parat: „Versicherte werden heute häufig über den postalischen Weg über anstehende U-Untersuchungen informiert. Mit dem TI-Messenger können diese Informationen inklusive Erinnerungen per Messenger versendet werden, so dass Versicherte im gleichen Kanal die Möglichkeit haben, bei der Krankenkasse Rückfragen zu den anstehenden U-Untersuchungen zu stellen.“
Killeranwendung hybride Versorgungsszenarien?
Auch Terminvereinbarungen und telemedizinische sowie nicht zuletzt hybride Versorgungsszenarien könnten mit Hilfe von TIM (und ePA und eRezept) optimiert werden. So könnte ein Terminportal wie 116117 künftig nicht nur einen Termin vereinbaren, sondern auch gleich einen TIM-Kommunikationskanal zwischen Patient:in und Zielpraxis oder telemedizinischem/r Arzt/Ärztin etablieren. Über diesen Kanal könnte (irgendwann) ein ePA-Zugriff ermöglicht werden, und es könnten ggf. Spezialist:innen von Radiologie über Labor bis Humangenetik hinzugezogen werden.
Der TI-Messenger kann natürlich auch für rein professionelle Kommunikationsszenarien genutzt werden, bei denen dann gar keine Patienteneinbindung nötig ist. Nachfragen der Apotheke in der Arztpraxis wären hier zu nennen, aber auch das unbürokratische Einholen von Zweitmeinungen – Situationen, in denen heute zum Telefon oder auch zu WhatsApp gegriffen wird. Bei der DMEA waren diese „Leistungserbringer-TIMs“ ebenso Thema. Die CGM hatte einen entsprechenden TI-Messenger im Messegepäck. Auch Cherry, bei Ärzt:innen derzeit noch vor allem als Anbieter von Kartenlesegeräten bekannt, steht bei TIM in den Startlöchern. Das Unternehmen kooperiert hier mit dem Unternehmen Awesome. Die Liste ließe sich fortsetzen. TIM, daran kann es spätestens seit der DMEA keinen Zweifel mehr geben, wird Wirbel ins digitale deutsche Gesundheitswesen bringen. Gut so.