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Medizin |

Vom Hackathon in die Gesundheitsämter

Der WirVsVirus-Hackathon stand am Anfang des digitalen Kampfs gegen Corona. Ein Teilnehmer, das IMIS-Projekt, hilft jetzt den Gesundheitsämtern beim digitalen Kontaktmanagement.

Als im März klar wurde, dass die SarsCoV2-Pandemie auch Deutschland mit Wucht erreichen würde, initiierte die Bundesregierung eine Art Programmierworkshop, um erste Ideen für digitale Lösungen zu sammeln, die beim Pandemiemanagement helfen könnten. Der WirVsVirus Hackathon verzeichnete enormes Interesse. Und auch wenn einiges, das dort in 48 Stunden entwickelt oder entworfen wurde, im Rückblick etwas naiv erscheint, hat sich doch das eine oder andere gehalten und wird weiter vorangetrieben – wenn auch manchmal mit anderem Schwerpunkt als anfangs gedacht.

 

Ein Beispiel dafür ist ein Projekt, das im März als Infektionsmelde- und Informationssystem (IMIS) an den Start ging: „Unsere ursprüngliche Intention war, bei den Labortests anzusetzen und die Nachverfolgbarkeit von Corona-Tests zu verbessern. Dann haben wir aber gesehen, dass der größte Digitalisierungsbedarf nicht so sehr bei den Labors, sondern beim Kontakt- und Quarantäne-Management der Gesundheitsämter besteht“, so IMIS-Mitgründer David Baldsiefen.

IT im Gesundheitsamt: Es herrscht gelebte Diversität

Nun ist es aber nicht so, dass es für Gesundheitsämter keine digitalen Lösungen gäbe. Es ist eher so, dass es zu viele sind, die zu wenig aufeinander abgestimmt sind, ein digital-analoges Kuddelmuddel mit zahllosen Medienbrüchen, die, wenn überhaupt, dann nur langsam verheilen. So erhalten die Gesundheitsämter Mitteilungen über Labortests auf unterschiedlichen Wegen, oft noch per Fax. Die „Digitalisierung“ erfolgt händisch. Die Labormeldungen leiten die Ämter über das epidemiologische Meldesystem SurvNet ans Robert-Koch-Institut weiter. Dieser Teil funktioniert gut, aber auch SurvNet hat mehr als 15 Jahre auf dem Buckel.

 

Immerhin: Seit Sommer existiert eine standardisierte FHIR-Schnittstelle für die Laborkommunikation, ein Vorgriff auf das schon seit 2013 in der Pipeline befindliche und dort lange Zeit feststeckende, Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS). Die DEMIS-Laborschnittstelle, die irgendwann auch Teil der Telematikinfrastruktur werden soll, gilt vielen als großer Fortschritt. Denn mit ihrer Hilfe können Gesundheitsämter eingehende Meldungen zu Positivtests theoretisch automatisiert verarbeiten. Kleiner Schönheitsfehler: Die neue Schnittstelle muss auch erstmal implementiert werden.

 

Kontaktmanagement und Quarantäne: Was kommt jenseits von Excel?

Neben den Labormeldeinfrastrukturen gibt es gleich mehrere Kontaktmanagement- und Quarantäne-Tools. Am weitesten verbreitet: Excel, das in der Corona-Krise in einigen Ämtern, etwa in Berlin-Mitte, spektakulär an Grenzen stieß. Die Ämter rüsten deswegen auf, aber nicht einheitlich. Es gibt die SORMAS Software des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI). Mitte Mai arbeiteten 16 von 375 Gesundheitsämtern damit, mittlerweile sollen es rund vierzig sein. Immerhin. SORMAS wurde ursprünglich für die Ebola-Epidemien in Afrika entwickelt und hat sich dort sehr bewährt. Die Anforderungen an die Gesundheitsämter sind bei SarsCoV2 und Ebola ähnlich, deswegen bot sich die Übertragung auf die Coronavirus-Pandemie an.

 

SORMAS ist aber nur eine Lösung von mehreren. Es gibt das Bayrische System für Infektionskettenmanagement (BaySIM). Es gibt eine eigene Software in Köln, und es gibt diverse Gesundheitsämter mit speziellen Lösungen. Und natürlich Papier. Was ihr Kontaktmanagement angeht, sind die Ämter sehr autonom: „Die Politik kann im Wesentlichen Empfehlungen aussprechen, und das Ergebnis ist ein Flickenteppich“, sagte Baldsiefen zur E-HEALTH-COM. Für IMIS stellte sich im Gefolge des WirVsVirus Hackathons vor diesem Hintergrund die Frage, ob die Entwickler dem existierenden Flickenteppich noch eine weitere Komponente hinzufügen wollen.

 

Wichtige Module kommen schneller zum Amt

„Wir haben uns letztlich entschieden, nicht den Flickenteppich zu vergrößern, sondern unsere Erfahrungen bei SORMAS einzubringen“, so Baldsiefen. Das Ergebnis ist ein ungewöhnliches Konstrukt, bei dem die IMIS-Projektmitarbeiter, die allesamt ehrenamtlich arbeiten, eng und natürlich vollkommen virtuell mit den HZI-Entwicklern kooperieren, um dort Unterstützung zu leisten, wo das kleine HZI-Team an Grenzen stößt: „Wir bringen unsere Erfahrungen als Startup-Entwickler ein. Das ist unter anderem dann sehr hilfreich, wenn es darum geht, bestimmte Funktionen und Features fastzutracken.“

 

Aktuell ist das die so genannte Quarantäne-Anordnung: „Die läuft in jedem Bundesland anders, und nahezu jedes Gesundheitsamt hat dafür ein eigenes Meldeformular. Es gibt auch nur wenig Bereitschaft, das zu vereinheitlichen“, berichtet Baldsiefen. Um nicht hunderte von Vorlagen zur Verfügung stellen zu müssen, bauen die IMIS-Entwickler jetzt ein Modul, das es dem SORMAS nutzenden Gesundheitsamt erlaubt, eigene Vorlagen zu erstellen. Die können dann hochgeladen und fortan bei registrierten Patienten oder Kontaktpersonen per Knopfdruck erstellt und automatisch digital befüllt werden.

 

Derzeit arbeiten zwölf Entwickler im IMIS-Team. „Wir sind alle sehr motiviert, aber als ehrenamtliche Kräfte stoßen wir natürlich auch irgendwann an Grenzen. Es gibt allerdings Fördermittel, und deswegen ist es denkbar, dass wir irgendwann auch Mitarbeiter anstellen können“, so Baldsiefen. Neben den Quarantäne-Anordnungen sieht der IMIS-Gründer unter anderem beim Thema Usability Handlungsbedarf: „Daran feilen wir, das hinkt schon teilweise sehr hinterher. Das ist aber eher ein Dauerprojekt, so etwas lässt sich nicht von heute auf morgen ändern.“