Screening-Programme gehörten zu den vielversprechendsten Anwendungsgebieten von bildbasierten KI-Algorithmen in der Krebsversorgung, betonte Dr. Martin Weihrauch von der Smart in Media AG. Weihrauch ist von Hause aus Hämato-Onkologe und hat sich in den letzten Jahren vor allem im Bereich digitale Pathologie einen Namen gemacht.
Bei der Vision Zero Tagung in Berlin skizzierte er die Möglichkeiten eines KI-basierten Krebs-Screenings am Beispiel von Hautkrebs, Brustkrebs und Lungenkrebs. So sei für den Hautkrebs mittlerweile gezeigt, dass umfassend trainierte neuronale Netzwerke eine Bewertung von Hautläsionen auf dem Niveau von Dermatolog:innen vornehmen könnten, so Weihrauch. Dies gelte es jetzt in Screening-Programme zu integrieren, mit denen möglichst breite Bevölkerungsschichten erreicht werden können.
Große Chancen für Screening-Programme
Auch das Brustkrebs-Screening könne von der KI-Nutzung stark profitieren, so Weihrauch. Der bisherige Standard ist, dass zwei Radiolog:innen sich die Mammographien unabhängig voneinander ansehen und dass bei Diskrepanz noch ein/e dritte/r hinzugezogen wird. Das ist in Zeiten der KI möglicherweise unnötig aufwändig. Zumindest gebe es mittlerweile Studien, so Weihrauch, in denen ein Team aus Radiolog:in und KI-Algorithmus bei gleicher Falschpositivrate mehr Krebsfälle identifizieren konnte als ein rein menschliches Team. Mit anderen Worten: Die Zuverlässigkeit des Screenings steigt, bei gleichzeitig geringerem Personalbedarf.
Weihrauchs drittes Beispiel war das Lungenkrebs-Screening. Hier verwies er auf die kürzlich publizierte Sybil-Studie, die ein validiertes Deep-Learning Modell zur Prädiktion von Lungenkrebs anhand einer Low-Dose-Thorax-CT-Aufnahme genutzt hat. Entwickelt wurde das zugrundeliegende Modell auf Basis des US-amerikanischen National Lung Cancer Screening Trial, validiert wurde es an einer Kohorte des Massachusetts General Hospital und einer weiteren Kohorte aus China. Es zeigte sich, dass das Modell mit im zeitlichen Verlauf etwas abnehmender Genauigkeit ein erhöhtes Krebsrisiko für einen Zeitraum von bis zu sechs Jahren detektieren konnte: „Das ist uns Menschen so nicht möglich. Es werden dabei auch Patienten detektiert, bei denen der Radiologe noch nichts sieht“, so Weihrauch.
Kritik an Datenprotektionismus
Erschwert werde die Umsetzung derartiger Programme allerdings weiterhin durch exzessiven Datenprotektionismus, so Weihrauch. Dieser habe mehrere Dimensionen, darunter die viel zu hohe Bepreisung von Schnittstellen durch Primärsystemhersteller und die Mengenlimitierung von Daten bei KI-Tools. Weihrauch plädierte deswegen für einen Information Blocking Act nach US-amerikanischem Vorbild, der hohe Strafen für Unternehmen vorsieht, die Daten nicht offen und kostenneutral zur Verfügung stellen. Er regte auch an, vermehrt mit Open-Source KI-Modellen zu arbeiten.