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Medizin |

Wie ernst meint es die Politik mit der Telemedizin?

Die Ampel-Koalition will die Telemedizin voranbringen. Doch mit dem Wegfall von Pandemieausnahmen passiere das Gegenteil, kritisiert die Opposition.

Bild: © Africa Studio – stock.adobe.com, 87769640, Stand.-Liz.

Licht und Schatten bei der Videosprechstunde. Während der Pandemie stieg die Zahl der Ärzt:innen, die Videosprechstunden anboten, bekanntlich steil an. Das lag an der Pandemie per se, aber auch an politischen Erleichterungsmaßnahmen. So war kurz vor der Pandemie für Videosprechstunden eine Mengenbegrenzung eingeführt worden, um reine Telemedizinanbieter zu verhindern. Während der Pandemie wurden diese Beschränkungen gelockert, seit 1. April 2022 sind per Videosprechstunde erbrachte Fallzahl und Leistungsmenge jetzt wieder auf 30 % begrenzt, etwas mehr als vor der Pandemie.

 

Schadet der Wegfall der Neupatientenregelung der Telemedizin?

Gewisse Erleichterungen gab es zum 1. Juli 2022 zudem im Bereich Psychotherapie. Dort haben sich KBV und Krankenkassen darauf geeinigt, die Regelung, wonach die 30 % Obergrenze in dem für Psychotherapie reservierten Kapitel 35 des EBM mit der jeweiligen Gebührenordnungsposition verknüpft ist, zu streichen. Die 30 % Grenze gilt seither für alle Behandlungsziffern im Kapitel 35, sodass ein Leistungserbringer bestimmte Leistungsbereiche ggf. häufiger als nur zu 30 % per Video durchführen und abrechnen kann. Das hat den Spielraum zumindest für Psychotherapeut:innen in eigener Praxis etwas erhöht.

 

Einige haben allerdings Zweifel daran, wie ernst es der Ampel-Koalition wirklich ist mit den im Koalitionsvertrag angekündigten, weiteren Erleichterungen für die Telemedizin. Kritik kommt u.a. von Krankenkassen mit eigenen Telemedizinangeboten wie der Barmer, die die Beschränkung der Videotermine auf 30 % der Kapazität einer Praxis für „unnötig“ hält, da sie Schranken aufbaue und die Digitalisierung bremse.

 

Kritik kommt auch von der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Deren fachpolitischer Sprecher, der Abgeordnete Stephan Pilsinger, hatte der Bundesregierung im Rahmen einer Kleinen Anfrage auf den Zahn gefühlt. Er wies darauf hin, dass die 30 % Regelung sowie geplante gesundheitspolitische Maßnahmen wie der Wegfall der Neupatientenregelung und die weiterhin bestehende, generelle Honorarkürzung um 20 % bei telemedizinischen Leistungen einer starken Telemedizin eher entgegenstünden, während gleichzeitig von zusätzlichen Anreizen, etwa Digitalisierungsprämien für Arztpraxen, weit und breit nichts zu sehen sei.

 

Bremsklotz Bundesamt für Soziale Sicherung

In seiner Antwort blieb Edgar Franke, Parlamentarischer Staatsekretär im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), ausgesprochen vage. Er hob die Verbesserung bei den Psychotherapeut:innen und die 30 % Regel hervor und wies im Übrigen darauf hin, dass eine Kürzung telemedizinischer Behandlungsmöglichkeiten im Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der GKV nicht vorgesehen sei.

 

Was richtig ist, allerdings macht natürlich insbesondere der Wegfall der Neupatientenregelung die durch den 20 % Abschlag ohnehin knapp kalkulierten Videokonsultationen für viele Anbieter nicht gerade attraktiver. Es gelte, so Franke, Präsenzbehandlung und telemedizinische Behandlung mit Hilfe von Anwendungen wie ePA, eRezept und eAU sowie digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) „strukturiert zusammenzuführen“. Im Übrigen wird auf die Digitalstrategie der Bundesregierung verwiesen, die derzeit in Arbeit ist, mit einem Zeithorizont Richtung erstes Quartal 2023 allerdings.

 

„Mehr Pragmatismus in den Amtsstuben“

Pilsinger ist mit der Antwort aus dem BMG nicht zufrieden, wie er gegenüber E-HEALTH-COM betonte: „Während die Bundesregierung auf dem Papier die Bedeutung der Videosprechstunden für die Patienten preist, sieht die Realität leider noch anders aus. So begrenzen dem BMG nachgeordnete Behörden wie das Bundesamt für Soziale Sicherung da facto Videosprechstunden für Patienten, die an keinen Präsenztermin mit ihrem Arzt herankommen.“

 

Der CSU-Abgeordnete sieht klaren, kurzfristigen Handlungsbedarf, zumindest bei einigen Behörden: „Auch wenn die Regelversorgung in Präsenz grundsätzlich vorzuziehen ist, ist es für die Patienten z.B. im psychotherapeutischen Bereich doch besser, online mit ihrem Arzt oder Psychotherapeuten zu sprechen als mit gar keinem Behandler. Hier brauchen wir noch viel mehr Pragmatismus und Realitätssinn - insbesondere in so manchen Amtsstuben.“