Die gematik hat jetzt seit rund einem Jahr eine neue Geschäftsführung, bestehend aus drei Personen. Wie hat sich dieses Modell eingegroovt?
Das lief von Anfang an sehr gut und harmonisch. Wir sind unterschiedliche Typen mit unterschiedlichem Background, aber das soll ja auch so sein. Es gibt sehr viel Austausch, wir sitzen auch alle gemeinsam in einem Büro. Die Themenschwerpunkte hatten wir von Anfang an verteilt, und das hat sich bewährt. Brenya Adjei ist für Personal, interne IT und Kommunikation zuständig. Florian Hartge als Medizininformatiker hat den Schwerpunkt auf Produktion, Operations und Security. Bei mir liegen Strategie und Standards, also auch das KIG, Finanzen und Recht. Als Vorsitzender bilde ich zudem die Klammer, die alles zusammenhält. Schonfrist für mich persönlich gab es nicht, da ich bereits seit vielen Jahren mit den Themen rund um die Telematikinfrastruktur und der gematik vertraut bin. Die Crunchtime des ePA-Rollout quasi ab Tag eins zu begleiten, das war schon ein Highlight gleich zu Beginn.
Stichwort ePA-Rollout: Wir haben Mitte Juli. Wie sehen die aktuellen Zahlen aus?
Es wurden Anfang 2025 rund 70 Millionen Akten angelegt, das hat insgesamt wenige Wochen gedauert. In den ersten beiden Juliwochen ist beispielsweise die elektronische Medikationsliste mehr als 16 Millionen Mal geöffnet worden. Insgesamt haben wir derzeit rund 80 000 Telematik-IDs, die auf die ePA zugreifen, und diese Zahl steigt kontinuierlich. Es zeigt sich, dass die Hochlaufphase genau das Richtige ist, damit sich Einrichtungen Schritt für Schritt mit der ePA vertraut machen können und bestmöglich für die Nutzung der ePA in der Versorgung vorbereitet sind. Ich gehe davon aus, dass wir zum 1. Oktober eine sehr hohe Nutzung sehen werden.
Wie sieht es mit der Umsetzung der ePA in den Praxis-IT-Systemen aus?
Es gibt natürlich viele unterschiedliche Hersteller. Wir begleiten alle so intensiv, wie wir können. Aktuell haben 88 Prozent der Primärsystemhersteller die Konformitätsbewertung für die ePA, die KOB, umgesetzt. Insgesamt hätte, glaube ich, vieles schlechter laufen können. Bisher ist der ePA-Rollout ein erfolgreiches Projekt.
Woran hakt es, wenn es hakt?
Was immer wieder mal für Herausforderungen sorgt, ist die Verschlagwortung mit Metadaten. Bei einigen wenigen Herstellern arbeiten wir noch an der PDF-A-Umwandlung. Der bvitg hat kürzlich mitgeteilt, dass alle Mitgliedsunternehmen die ePA-Einbindung im dritten Quartal ausgerollt haben werden. Das halten wir für ein sehr gutes Zeichen.
Wofür gibt es die positivsten Rückmeldungen?
Ganz klar die elektronische Medikationsliste, die eML. Die wird von Praxen und Apotheken unisono gelobt. Lob gibt es auch für smarte IT-Umsetzungen, aber das ist natürlich von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich. Es gibt sehr intuitive Umsetzungen mit extrem wenigen Klicks, das kommt gut an. Was auch gerne gesehen wird, ist eine automatisierte Übertragung von E-Arztbriefen in die ePA oder – nach Zustimmung der Patient:innen – das Einstellen der eAU ohne Zusatzaufwand. Grundsätzlich treten wir jetzt langsam in die Phase ein, in der immer öfter auch etwas reingeschrieben wird. Das kann dann schon ein Aha-Erlebnis sein, wenn zum Beispiel der Entlassbrief eines Krankenhauses plötzlich digital vorliegt. Hier müssen wir aber auch klar sagen: Wir haben in den Krankenhäusern noch nicht denselben Reifegrad wie in den Praxen. Das hat verschiedene Ursachen und liegt zum Teil an den komplexeren stationären Strukturen. Konkret haben wir in den Modellregionen die ersten Pilotstationen, die mit der ePA arbeiten. Mindestens ein Krankenhaus ist auch dabei, das nun vollumfänglich im ganzen Haus die ePA nutzen kann. Ich glaube, je mehr sich Best Practices für den ePA-Einsatz im Krankenhaus herauskristallisieren, umso zügiger wird es mit der Umsetzung gehen.
Was sind die nächsten Schritte bei ePA und TI?
Mitte Juli gab es das Release 3.0.5, eine Ausbaustufe der ePA. Mit Release 3.0.5 kam zum einen die ePA-Integration des TI-Messenger (TIM), zum anderen die Desktopvariante der ePA. Das Release 3.1 ist für 2026 geplant. Das ist dann der nächste große Schritt. Welche Anwendungen im Detail wann vorgesehen sind, kann man in unserer neuen Roadmap, der OneRoadmap, nachschlagen. Damit kommen wir einem vielfach geäußerten Wunsch nach, für mehr Transparenz zu sorgen. Die OneRoadmap ist relativ verbindlich, aber es gibt natürlich schon noch gewisse Spielräume. Wenn sich beispielsweise beim European Health Data Space (EHDS) etwas tut, dann kann das auch die Roadmap beeinflussen. Deswegen ist das auch kein abschließendes Dokument, sondern eins, das immer in Bewegung ist. Wir planen daher eine regelmäßige Aktualisierung der Roadmap.
Wie sieht es insbesondere mit weiteren elektronischen Verordnungen aus? Die werden ja von sehr vielen eingefordert, von Betäubungsmittel- (BtM-) Rezepten bis hin zu Verordnungen für Heil- und Hilfsmittel.
Wir arbeiten intensiv an weiteren Rezepttypen. Wann genau die kommen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Aktuell arbeiten wir zum einen am Konzept für das E-BtM-Rezept und für das Thalidomid-Rezept, das
T-Rezept, aber auch daran, Rezepte im Ausland einzulösen. Außerdem wird aktuell in der Modellregion
Hamburg & Umland pilotiert, dass digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) über das E-Rezept verschrieben werden können.
Von den Anwendungen zur großen Politik: Wie sieht die gematik aktuell ihre Rolle im vielstimmigen Konzert der gesundheits- und digitalpolitischen Akteure?
Wir sehen uns zum einen als Koordinator und Vermittler der digitalen Transformation im Gesundheitswesen, zum anderen als diejenigen, die für die Telematikinfrastruktur die Gesamtverantwortung tragen. Wenn die digitale Transformation im deutschen Gesundheitswesen gelingen soll, braucht es eine starke gematik, davon sind wir fest überzeugt.
Also eine Digitalagentur, wie das im Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz (GDAG) vorgesehen war? Die gematik benutzt diesen Begriff ja gelegentlich schon selbst, auch wenn das GDAG dem Crash der Ampelkoalition zum
Opfer fiel.
Die gematik arbeitet bereits an vielen Stellen wie eine Digitalagentur und wird sich noch weiter in diese Richtung entwickeln: Denn damit die digitale Transformation gelingen kann, braucht es viel Transparenz, viel Co-Creation und intensive Zusammenarbeit mit allen Stakeholdern. Diesen grundlegenden Anspruch haben wir. Dass das GDAG nicht mehr zustande kam, fanden viele bedauerlich, wir auch. Aber aus Sicht der gematik kann ich sagen: Wir sind mit dem aktuellen gesetzlichen Rahmen handlungsfähig. Ich gehe weiter davon aus, dass es absehbar ein Gesetz geben wird, das die Punkte aufnehmen wird, die noch offen sind. Das betrifft unter anderem den EHDS. Die Richtung ist klar.
Die gematik hat sich in der letzten Legislatur im Bereich Interoperabilität deutlich stärker aufgestellt, die Stichworte lauten Kompetenzzentrum Interoperabilität im Gesundheitswesen (KIG) und die schon erwähnte Konformitätsbewertung, die KOB. Quintessenz ist: Es werden nicht mehr nur mehr oder weniger verbindliche Standards vorgegeben, es wird deren Umsetzung auch konkret überprüft und bescheinigt. Wie funktioniert das im Alltag? Und welche Rückmeldungen gibt es seitens der Industrie?
Ich halte die KOB für ein ganz wichtiges Instrument, um den Markt der Primärsysteme weiterzuentwickeln. Das muss unser Ziel sein. Die KOB gibt uns auch einen wirklich guten Andockpunkt für die Arbeit mit den Primärsystemherstellern. Das bewährt sich bereits. Wir haben die KOB Stufe 1 für die eML durchgeführt und einen großen Teil des Marktes dabei mitgenommen. Die KOB Stufe 2 für die eML ist ebenfalls sehr gut angenommen worden. Kurz gesagt: Die Prozesse stehen, das Instrument funktioniert und es gibt durchaus Akzeptanz im Markt. Natürlich wird sich die KOB weiterentwickeln. Bisher waren die Anforderungen noch sehr niedrigschwellig, das wird zwangsläufig anspruchsvoller werden.
Welche Hebel hat die gematik noch, um bei Standards mehr Verbindlichkeit zu erreichen?
Neben der KOB gibt es noch das gesetzlich definierte Einvernehmen. Das heißt, wir werden nicht nur informiert, dass ein neuer Standard veröffentlicht werden soll, sondern wir müssen auch zustimmen. So können wir sicherstellen, dass erarbeitete Standards z. B. nicht in Diskrepanz zu weiteren bestehenden Standards stehen. Verantwortlich ist hierfür das KIG. Aktuell ist das zum Beispiel im Zusammenhang mit der Terminservice-Schnittstelle relevant, dafür ist das Einvernehmen des KIG erforderlich. Das sorgt dann schon dafür, dass die Dinge besser zusammenpassen, auch dort, wo wir nicht über eine KOB unmittelbar zuständig sind. Der Markt nimmt das auch gut an und das KIG wird als sinnvolle Instanz wahrgenommen – und nicht als Scharfrichter.
Interoperabilität gehört zur DNA der gematik. Darüber hinaus hat die gematik angekündigt, sich stärker um digitale Versorgungsprozesse zu kümmern, inhaltlich und mit einer neuen Stabsstelle. Das ist ein neues Thema. Was ist daraus geworden?
Wir können Vollzug melden. Die neue Stabsstelle nimmt zum 1. August die Arbeit auf. Stabsstellenleiterin ist die Berliner Unfallchirurgin Dr. Johanna Ludwig. Vielleicht noch mal zum Hintergrund: Die gematik war lange Zeit sehr technologisch ausgerichtet. Der Anspruch war von Anfang an, dass wir die gematik von der reinen Technologieperspektive hin zu einer Versorgungsperspektive bewegen. Ich glaube, das macht sehr viel Sinn. Ein Primärarztsystem zum Beispiel wird nur dann funktionieren, wenn es mit intelligenten, digitalen Prozessen hinterlegt ist und bei jedem Behandlungsschritt die gemeinsamen Patientendaten einrichtungsübergreifend zur Verfügung stehen. Diese Anforderungen aus der Versorgung müssen wir als gematik aufnehmen und umsetzen. Nicht nur in diesem Kontext wird die Stabsstelle Versorgung eine zentrale Rolle spielen.
Nun sind ambulante Versorgungsprozesse die Kernkompetenz der Kassenärztlichen Vereinigungen und anderer Leistungserbringerorganisation. Kein Konfliktpotenzial?
Im Gegenteil, wir reduzieren das Konfliktpotenzial, wenn wir eigene Kompetenz im Bereich Versorgungsprozesse aufbauen. Die Stabsstelle soll ganz intensiv in Kontakt treten mit den Berufsverbänden, mit den Haus- und Fachärztinnen und -ärzten, mit MFAs, PTAs, Apothekerinnen und Apothekern, und sie soll sich wirklich an der Basis die Workflows ansehen und mitentwickeln. Wir machen das jetzt schon, aber ich glaube, die Stabsstelle wird da noch mal neuen Drive hineinbringen. Es passt auch zu dem, was anderswo passiert. Das BMG hat ein Versorgungsreferat geschaffen, bei der KBV gibt es eine Stabsstelle Digitalisierung. Das alles wird dazu führen, dass sich die Beteiligten noch besser austauschen. Am Ende profitieren davon die Versorgerinnen und Versorger, da bin ich fest von überzeugt. Wir haben übrigens auch in der Produktion einige Prozesse umgestellt, konkret diverse Punkte definiert, an denen wir noch mal innehalten und überprüfen, ob der Versorgungskontext optimal abgebildet ist. Wichtig ist: Es geht nicht darum, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Das hatten wir schon. Wir wollen dadurch, dass wir Kompetenzen zusammenbringen, zu richtig guten Prozessen kommen, die auch mal ganz anders aussehen können als bisher.
Ein technisches Thema in der ambulanten Versorgung, das zuletzt wieder etwas Fahrt aufgenommen hat, ist die ambulante Datenschnittstelle. Die wurde schon vor Jahren als Archiv- und Wechselschnittstelle (AWST) entwickelt mit dem politischen Ziel, den Wechsel von Praxis-IT-Systemen zu erleichtern. Im Markt ist die AWST dann aber mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Es gab daraufhin eine Zusammenarbeit zwischen Industrieunternehmen und einem Arbeitskreis des KIG, also der gematik. Ergebnis war ein Positionspapier, in dem die Schnittstelle inhaltlich völlig neu erarbeitet wurde, jetzt ohne den Archivpart. Gesetzlich gibt es weiterhin die Vorgabe, diese Schnittstelle auch umzusetzen. Passiert das?
Kurze Antwort: Ja. Auf der Basis des Positionspapiers des „Arbeitskreis Analyse der Effizienz der Archiv- und Wechselschnittstelle“ arbeiten die mio42 und das KIG gemeinsam an der Weiterentwicklung der Schnittstelle, unter Einbeziehung der Industrie – ein Beispiel übrigens für den Co-Creation-Ansatz, den wir bei dafür geeigneten Themen zunehmend verfolgen. Um am Ende wirklich eine Integration in die IT-Systeme zu erreichen, werden im Rahmen dieser Arbeit nicht nur Spezifikationen geschrieben, sondern auch implementierungsleitfäden. Und in der Tat, der Archivpart steht nicht im Vordergrund, sondern insbesondere die sequentielle Weiterentwicklung zu einer Mehrwertschnittstelle.
Das klingt erst mal wie eine sinnvolle Vereinfachung eines komplexen Themas. Gleichzeitig wird plötzlich der Begriff der Mehrwertschnittstelle ins Spiel gebracht. Was ist da Intention?
Diese Wechselschnittstelle ist ja relativ umfassend. Sie hat eine ganze Menge Datenfelder, und die können eventuell auch für andere Datenübertragungsszenarien interessant sein. So kam es zu dem Begriff der Mehrwertschnittstelle, der illustrieren soll, dass man mit dieser Schnittstelle noch einiges mehr machen kann als nur das Praxis-IT-System wechseln. Die Vorteile sollen letztlich nicht nur am Ende des Prozesses – beim Wechsel –, sondern auch bereits bei der regulären Nutzung der Systeme spürbar und erlebbar sein.
Was könnten das für Mehrwerte sein?
Wir sehen oft, dass Leistungserbringende z. B. zur Prozessunterstützung oder Entscheidungsunterstützung weitere Module an ihr PVS anschließen wollen, dies aber oftmals nicht oder nur schwer möglich ist. Ergänzende Softwaremodule können oftmals nur schwer integriert werden. Die Mehrwertschnittstelle soll hier die Innovationsfähigkeit stärken und den Leistungserbringenden ermöglichen, nach einem Best-of-Breed-Ansatz geeignete Lösungen für ihre Bedarfe zu finden. Ich bin sicher, dass es noch andere kreative Ideen geben wird. Wir wollen da als gematik nicht die Richtung vorgeben, nur dafür sensibilisieren, dass das Thema mehr Dimensionen haben könnte als nur den Praxis-IT-Wechsel.
Ist die Hoffnung, dass die in der Industrie ja eher unbeliebte Wechselschnittstelle durch dieses Rebranding in der Branche mehr Akzeptanz bekommt?
Ich sag mal so, gegen Mehrwert an sich etwas zu haben, ist schwierig. Ich glaube, es ist allen klar, dass die Zeit des Protektionismus ein Ende haben muss, wenn wir in unserer Softwarewelt und bei der digitalen Transformation einen Sprung nach vorn machen wollen. Wir verfolgen an dieser Stelle ja auch bewusst den Co-Creation-Ansatz. Die Schnittstelle soll unter Beteiligung von herstellenden Expertinnen und Experten entstehen. Das wird die Akzeptanz stärken.
Politisch ist die Umsetzung des auf EU-Ebene bereits beschlossenen EHDS eines der großen digitalpolitischen Themen für die neue Bundesministerin für Gesundheit, Nina Warken. Welche Rolle kommt hier der gematik zu?
Das nicht mehr verabschiedete GDAG sah vor, dass die gematik im EHDS-Kontext die sogenannte Digital Health Authority wird. Ob die neue Regierung das auch so sieht, werden wir sehen. Aus meiner Sicht würde es sich schon anbieten, einen Teil der Aufgaben, die eine nationale Digital Health Authority übernehmen muss, bei uns anzusiedeln. Akuter Zeitdruck besteht noch nicht: Die Benennung der nationalen Digital Health Authorities muss erst bis März 2027 vollzogen sein.
Was ist die Aufgabe dieser Digital Health Authorities? Und wie verhalten sie sich zu den National Contact Points des EHDS, die schon existieren?
Die EU-Staaten sind bei dem Thema ja unterschiedlich weit. Deutschland hängt etwas hinterher, holt jetzt aber auf. Der deutsche National Contact Point for eHealth (NCPeH) ist angesiedelt bei der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland, der DVKA. Letztlich ist das ein technisches Tool, eine Art Gateway zwischen der TI und der europäischen eHealth Digital Service Infra-structure. Es laufen gerade auf EU-Ebene Tests für die Inbetriebnahme der ersten grenzüberschreitenden Dienste. Wenn die gematik künftig als Digital Health Authority benannt würde, dann würde das nicht heißen, dass der NCPeH bei uns angesiedelt wird. Aber es würde heißen, dass wir noch mal deutlich enger als bisher mit der DVKA zusammenarbeiten.
Hat der EHDS jetzt schon Einfluss auf das, was im Rahmen der Telematikinfrastruktur entwickelt und spezifiziert wird?
Es gibt unabhängig von der Frage, wo die verschiedenen Aufgaben der nationalen Digital Health Authority angesiedelt werden, schon jetzt konkrete Anforderungen, die auf die EHDS-Verordnung zurückgehen. Die schauen wir uns natürlich sehr genau an, insbesondere dahingehend, welche Auswirkungen das auf unsere Roadmap hat. Es macht nicht viel Sinn, Dinge zu entwickeln, wenn wir jetzt schon wissen, dass wir sie bald wieder ändern müssen. Daher sind bereits heute die Roadmaps aufeinander abzustimmen.
Betrifft das nur einzelne Anwendungen wie den Patient Summary und die Frage, wann und wie der in die Roadmap einsortiert wird? Oder geht es dabei auch um grundlegende Standardisierungsthemen?
Der EHDS hat zwei Dimensionen. Es gibt einmal die Primärdatennutzung, bei dem es um die grenzüberschreitende Nutzung von Daten für die medizinische Versorgung geht. In diesem Bereich läuft derzeit das vorbereitende Xt-EHR-Projekt. Und dann gibt es das TEHDAS2-Projekt, das eher auf Forschungsthemen fokussiert, auf die sekundäre Nutzung von Gesundheitsdaten für die Forschung. In beiden Teilprojekten geht es auch um strukturierte Daten und die Frage, wer damit arbeiten kann. Das ist ein Thema, das in Deutschland nicht nur auf Ebene der medizinischen Versorgung diskutiert werden kann. Da sind intensive Abstimmungen auch mit der Forschungsseite nötig.
Wie sieht es mit der ePA aus? Inwieweit sind hier mit Blick auf den EHDS im Bereich Primärdatennutzung Anpassungen nötig? Stichwort Rechtemanagement zum Beispiel.
Bei der ePA zieht Deutschland endlich nach. Mit Blick auf den EHDS könnte es ein Vorteil sein, dass die ePA erst jetzt eingeführt wird. Ich glaube, dass wir mit Teilen unserer Architektur eine ganz gute Grundlage für EHDS-relevante Themen haben. Ich denke, dass der Anpassungs-bedarf bei ePA-Systemen in einigen anderen Ländern höher sein wird als bei uns.
Das Interview führte Philipp Grätzel von Grätz.
