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Medizin |

Zehn Punkte für bessere Kontaktverfolgung

Trotz Kritik vom Landkreistag: Der neue Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit verbreitet in Sachen digitaler ÖGD Optimismus.

Quelle: © idspopd – stock.adobe.com

Wenn Deutschland die Corona-Pandemie in den Griff bekommen und für künftige Epidemien besser vorbereitet sein will, dann müssen bei der Digitalisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) Nägel mit Köpfen gemacht werden. Helfen will der neu gegründete Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit (InÖG), der auf den WirVsVirus-Hackathon vom Frühjahr 2020 zurückgeht und eine Reihe ÖGD-fokussierter Startups, darunter IMIS, LabHive, quarano und coronika, mit der Björn-Steiger-Stiftung und der kürzlich gegründeten Initiative „CIO Corporate Citizens“ zusammenbringt.

Gesundheitsämter sollen pandemiefitter werden

„Wir möchten zeigen, dass auch die Zivilgesellschaft einen Beitrag in der Pandemiebekämpfung leisten kann“, sagte InÖG-Mitbegründer Dr. Tobias Opialla, im Hauptberuf tätig am Institut für medizinische Systembiologie am MDC Berlin. Anlässlich der InÖG-Gründung nannte Opialla drei Hauptziele des neuen Verbunds, nämlich

  • die Etablierung einer landkreis- und bundesländerübergreifenden Kontaktnachverfolgung,
  • eine verstärkte Interoperabilität der im ÖGD eingesetzten Softwarelösungen und
  • die Schaffung einer aktuelleren Datengrundlage, um die Gesundheitsämter, die primär für das Management regionaler Epidemien konzipiert sind, fit für eine übergreifende und schnell verlaufende Pandemie zu machen.

 

Die Kernmaßnahme, mit der diese drei Ziele erreicht werden sollen, ist ein schneller, DSGVO-konformier Austausch von Daten zwischen den Gesundheitsämtern, um Cluster und Kontaktketten schneller klären und abarbeiten zu können. Wichtige Vehikel dabei sind für den Datenaustausch im Rahmen der Kontaktnachverfolgung konzipierte Software-Lösungen wie SORMAS vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, eine konsequente Umsetzung von Deutschen Elektronischen Meldesystems für den Infektionsschutz (DEMIS) sowie den konsequenten Einsatz von Open Source-Software.

 

Bürger-Anwendungen für weniger Administration

Open Source Software mache es wesentlich einfacher, insbesondere bürgernahe Anwendungen nach Bedarf an die digitale ÖGD-Infrastruktur anzudocken. „Nur offene Schnittstellen erlauben es, viele administrative Tätigkeiten auf die Bürgerinnen und Bürger zu verlagern. Damit bekämen die Gesundheitsämter mehr Zeit, sich um Gesundheit zu kümmern und bräuchten weniger Zeit für Administration“, so Opialla. Beispiele für das Gesundheitsamt entlastende Anwendungen aus dem Portfolio der InÖG-Startups sind digitale Kontaktlisten für Infizierte, digitale Gästelisten für Veranstalter, Symptomtagebücher für die Quarantäne oder ein digitales Wartezimmer, in dem Formulare aller Art selbst ausgefüllt werden können, statt die Daten telefonisch durchzugeben.

 

Überzeugen, nicht lobbyieren

Dass ein auf digitale Startups zentrierter Verbund wie der InÖG Gefahr läuft, als Lobbyorganisation für die Digitalindustrie wahrgenommen zu werden, dessen sind sich die InÖG-Verantwortlichen bewusst. Nicht zuletzt deswegen seien die Björn-Steiger-Stiftung und die sich aus den Netzwerken von CIOs rekrutierende Initiative CIO Corporate Citizens mit an Bord. Im Rahmen des InÖG engagierten sich Menschen mit sehr viel ehrenamtlichem Engagement für einen besseren ÖGD, sagte CIO Corporate Citizens Mitgründerin Anke Sax. Das werde von den Gesundheitsämtern ausgesprochen positiv aufgenommen.

 

Allerdings wird natürlich nicht jede digitale Idee, die seit Beginn der Corona-Krise formuliert wurde, von jedem Gesundheitsamt sofort begeistert aufgenommen. Aktuell gezeigt hat sich das an den Plänen der Politik, bis Ende Februar alle Gesundheitsämter mit der Kontaktnachverfolgs-Software Sormas auszurüsten. Die Open-Source-Software Sormas ist einer der Dreh- und Angelunkte der InÖG-Aktivitäten. Und ausgerechnet hier gab es Anfang Februar einen von einigen Medien sofort aufgegriffenen Brief des deutschen Landkreistags, der sich zu der Software und ihrer verpflichtenden Installation sehr kritisch geäußert hat.


„151 Gesundheitsämter sind ein riesiger Erfolg“

Gleichzeitig gibt es aber auch ausgesprochen positive Rückmeldungen, beispielsweise vom Städte- und Gemeindebund. Achim Löbke, Mit-Initiator von InÖG, hält nichts von zu viel Schwarzmalerei: „Stand jetzt gibt es 151 Gesundheitsämter in Deutschland, die mit Sormas arbeiten. Das ist ein riesiger Erfolg.“ Schönfärben will der InÖG das Thema aber auch. Opialla betonte, dass die Kritik zumindest teilweise berechtigt sie, dass aber viele der genannten Punkte in der nächsten Ausbaustufe von Sormas bereits adressiert würden.

 

Sax sagte, dass sie sich sogar fast ein wenig über den Brief des Landkreistags gefreut habe, weil er deutlich mache, wo noch Informationsdefizite bestehen. Es reiche eben nicht, einfach eine Software technisch zu implementieren. Nötig sei ein gutes Rolloutkonzept bis hinunter auf die Prozessebene. Aktuell würden am Beispiel der Großstadt München und der Kleinstadt Traunstein gemeinsam mit der TU München „Blueprints“ erstellt, die für zwei unterschiedliche Gesundheitsamt-Welten typische Punkte abarbeiteten, sagte Jürgen Renfer von CIO Corporate Citizens. Diese Arbeit werde in wenigen Wochen fertig sein und könne dann als Grundlage für andere Gesundheitsämter dienen.