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Health-IT |

Zoff um eAU: Industrie fordert „mehr als nur leichte Anpassungen“

Der Bundesverband Gesundheits-IT ruft dazu auf, die Fristverschiebung bei der eAU zu nutzen, um die eAU-Spezifikation zu verbessern – und einen Praxistest zu machen.

Quelle: © mpix-foto – stock.adobe.com

Im Juli und im August geht es bei der deutschen Telematikinfrastruktur typischerweise entweder um tatsächliche oder vermeintliche Sicherheitslücken oder um Fristen. In diesem Jahr sind mal wieder die Fristen dran. Noch Anfang Juni waren weite Teile von Digital-Health-Deutschland sehr zufrieden mit der Festlegung auf den TI-E-Mail-Kanal „KIM“ als einzigen Übertragungsweg für die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) vom Arzt an die Krankenkassen. Die flächendeckende Einführung der KIM-basierten eAU im Januar 2021 erschien zumindest den Optimisten als möglich – KIM, so hieß es, sei ja nichts anderes als ein E-Mail-Dienst.

 

Nun ist KIM aber nicht die ganze eAU, sondern nur deren Übertragungskanal. Am 17. Juni kam die eAU-Spezifikation der KBV zu den FHIR-Profilen der eAU in den Briefkasten des Bundesverbands Gesundheits-IT (bvitg). Und die sah so einiges vor, was so bisher nicht in den Praxisabläufen im Zusammenhang mit der AU-Erstellung enthalten ist. Allein: Für die Kommentierung wurde der IT-Industrie gerade einmal eine Woche Zeit zugestanden. Das reichet für Kommentare in der notwendigen Detailtiefe nicht aus, sodass die Spezifikation, die „fristgerecht“ am 1. Juli veröffentlichen wurde, weitgehend unverändert blieb.

 

Widerstand gegen eAU und Wunsch nach mehr Geld schweißen KV-System zusammen

Dann kam der Juli, und es brach sich die Erkenntnis Bahn, dass die Komplettausstattung sämtlicher Arztpraxen mit KIM-Diensten bis Jahresende und ein Ad-hoc-Start der KIM-basierten eAU am 1. Januar 2021 vielleicht etwas sehr ehrgeizig sind. Immerhin ist die eAU eine Massenanwendung. Politisch brisant wurde das Thema durch einen Brandbrief an das Bundesgesundheitsministerium, in dem die Vorstände der regionalen KVen und der KBV in lange nicht mehr gesehener, digitalpolitischer Einigkeit eine Fristverschiebung forderten.

 

Nebenbei verlangten die Kassenärzte auch noch eine Refinanzierung der IT-Sicherheits-Investitionen in den Arztpraxen, was für einiges Kopfschütteln sorgte – zumal die KBV noch im Dezember 2019 darauf hingewiesen hatte, dass die „Kosten für die Absicherung und Instandhaltung eines Internetanschlusses […] im EBM bereits eingerechnet“ seien. Das aber nur nebenbei.

 

Zumindest das Thema eAU-Fristverlängerung fiel auf fruchtbaren Boden. Eine Pflicht zur Nutzung der eAU auf Seiten von Ärzten (und Krankenkassen) soll es nun erst ab Oktober 2021 geben. Damit hat sich zumindest das Bundesgesundheitsministerium einverstanden erklärt, die Entscheidung des GKV-Spitzenverbands dazu steht freilich noch aus. Zu der KBV-/KV-Forderung nach einer Refinanzierung der digitalen Praxisabsicherung gibt es bisher nur betretenes Schweigen. Die KBV ist mir ihrer gesetzlich angeforderten IT-Sicherheitsrichtlinie für die Arztpraxen mittlerweile deutlich im Verzug.


Post vom bvitg: Den Spielraum für Feldtests nutzen!

Jetzt hat sich zum Thema Fristverlängerung bei der eAU auch der bvitg zu Wort gemeldet. In einem am Freitag versandten Brief an die Vorstände der KVen und den Vorstand des GKV-Spitzenverbands begrüßt der IT-Verband die neue Übergangsfrist, stellt aber gleichzeitig sehr deutlich Forderungen an die Selbstverwaltungspartner und die beteiligten Unternehmen. So müssten die jetzt gewonnenen drei Quartale genutzt werden, „um die momentan unserer Einschätzung nach unausgereifte und nicht praxistaugliche Spezifikation zu optimieren“.

 

Ziel müsse ein Endprodukt sein, das sich nahtlos in den Versorgungsalltag integriere. Gefordert wird für die eAU außerdem ein Praxistest, denn: „Software, die ausschließlich auf theoretischen Überlegungen basiert“, könne nicht alle Eventualitäten der Realität berücksichtigen. Nötig sei ein Testzeitraum von drei Monaten, bei dem „nicht nur leichte Anpassungen an der Spezifikation möglich sein“ müssten. Entsprechend sei ein solcher Test spätestens für Anfang des ersten Quartals 2021 anzusetzen, so der bvitg.

 

Konkret geht es der IT-Industrie unter anderem um die erstmals in der Spezifikation vom 17. Juni aufgetauchte Stornoregelung: Der Arzt muss eine eAU gemäß Spezifikation wieder stornieren können. Dies müsse praktisch erprobt werden, damit es auch wirklich funktioniere, so eine bvitg-Sprecherin zu E-HEALTH-COM. Dasselbe gilt für die elektronische Signatur. Bisher ist vorgesehen, dass die eAU mit elektronischem Heilsberufsausweis und PIN-Eingabe vom Arzt qualifiziert signiert wird. Damit Ärzte nicht dauernd ihre PIN eingeben müssen, soll es für Massenanwendungen eine Stapelsignatur geben. Die aber erfolgt in der Regel erst abends, was für die eAU zu spät ist.

 

Ein Ausweg wäre die Signatur per SMC-B durch Mitglieder des Praxis-Teams, statt per HBA durch Arzt oder Ärztin. Das ließe sich im Alltag problemloser umsetzen, aber ob es auch politisch umsetzbar ist, ist unklar. Entscheidend sei, dass, was immer eingeführt werde, vorher getestet werde, so der bvitg, ähnlich wie das bei den Notfalldaten, bei KIM und bei der eMedikation auch geschehen ist. Nur dann könne gewährleistet werden, dass Lösungen entstünden, die eine hohe Akzeptanz finden.