Das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) hat Deutschlands Kliniken in Bewegung gesetzt: Mit 4,3 Milliarden Euro an Fördermitteln und über 6.000 Anträgen markiert es einen der größten Schritte Richtung digitale Gesundheitsversorgung. Von den insgesamt 11 Fördertatbeständen war die digitale Pflege- und Behandlungsdokumentation (FTB 3) am gefragtesten: Mit 1.533 Anträgen macht sie
rund 25 % aller Förderprojekte aus. Doch jetzt, nach der großen Förderwelle, stellt sich die Frage: Wie nachhaltig sind die eingeleiteten Maßnahmen wirklich, und wie gut sind Kliniken auf kommende Herausforderungen vorbereitet?
„Das KHZG war ein dringend notwendiger Impuls“, erklärt Heiko Mania, einer der beiden Geschäftsführer von nursIT und Vorstandsmitglied des Bundesverbands Gesundheits-IT (bvitg). „Aber der Erfolg wird davon abhängen, ob die Projekte strategisch gedacht sind und wie gut sie die Kliniken auf zukünftige Herausforderungen vorbereiten.“
Ein großer Sprung – aber keine sanfte Landung
Eine der größten Hürden sind die strengen Fristen, die von Land zu Land variieren. Zudem bremst der Fachkräftemangel Projekte aus, und die Wahl des passenden Dienstleisters ist entscheidend. „Die engen Fristen setzen Kliniken unter Druck“, so Mania. „Gleichzeitig fehlt es in vielen Häusern an qualifiziertem Personal, das die digitale Transformation vorantreiben kann.“
So überrascht es kaum, dass Kliniken mit einer bestehenden Digitalisierungsstrategie oder einer intensiveren Beschäftigung mit digitalen Themen deutlich besser aufgestellt sind. Diese Häuser berichten von weniger Schwierigkeiten und nutzen die Förderung strategisch.
Modular denken, nachhaltig handeln
Ein zentraler Punkt der Digitalisierung ist die Wahl der richtigen IT-Architektur. Viele Krankenhäuser stehen vor der Frage: Setzen wir auf geschlossene KIS-Systeme, die alle Funktionen in einer Lösung bündeln, oder auf modulare, interoperable Systeme, die flexibel erweiterbar sind?
Der IT-Experte und Geschäftsführer von nursIT Stoyan Halkaliev erklärt es folgendermaßen: „Stellen Sie sich vor, Sie kaufen ein Smartphone. Ein Modell, bei dem alle Apps vorinstalliert und fest miteinander verbunden sind, mag im ersten Moment bequem erscheinen – aber was passiert, wenn Sie eine neue Funktion hinzufügen möchten, die nicht ins System passt? Oder Sie entscheiden sich für ein offenes Modell, bei dem Sie die Apps frei wählen und flexibel kombinieren können.“
Geschlossene Systeme bieten Sicherheit und sind oft schneller einsatzbereit, aber sie schränken die Flexibilität ein und stoßen bei neuen Anforderungen schnell an ihre Grenzen. „Modulare Ansätze auf Basis von Standards wie FHIR ermöglichen es, verschiedene Anbieter und Technologien zu kombinieren – und das ist eine Investition in die Zukunft.“ erklärt Halkaliev, einer der führenden FHIR-Experten in Deutschland.
Erfolgsfaktor Interoperabilität
Interoperabilität ist ein zentraler Baustein des KHZG: Projekte müssen international anerkannte Standards wie FHIR verwenden, um Medienbrüche zu vermeiden und den Datenaustausch zu erleichtern.
Die Bedeutung von FHIR-Standards wird nicht nur in Deutschland, sondern auch international deutlich. Projekte wie Hospitals on FHIR zeigen, dass interoperable Systeme nicht nur die Zusammenarbeit innerhalb einer Klinik, sondern auch zwischen Einrichtungen und sogar Ländern ermöglichen können. Diese Standards sind der Schlüssel zu einer vernetzten und zukunftssicheren Gesundheitsversorgung.
Finanzierung und Nachhaltigkeit
Eine Herausforderung für viele Kliniken bleibt jedoch die langfristige Finanzierung ihrer Systeme.
„Digitalisierung zahlt sich aus, aber oft erst nach einiger Zeit“, betont Stoyan Halkaliev. Es zeigt sich: Durch digitale Prozesse können nicht nur Effizienzsteigerungen erreicht, sondern auch die Attraktivität als Arbeitgeber verbessert werden – ein entscheidender Faktor in Zeiten des Fachkräftemangels.
„Durch gute digitale Lösungen ist ein Krankenhaus in der Lage, mehr Patienten in höherer Qualität bei gleichzeitig deutlich weniger Aufwand zu versorgen“, erklärt Mania. „Diese Effekte zeigen sich leider oft erst mittelfristig, aber sie sind nachhaltig und verbessern die Versorgungsqualität spürbar.“
Nach dem Sprung ist die Richtung entscheidend
Das KHZG hat den Stein ins Rollen gebracht, aber der Erfolg hängt davon ab, ob Kliniken über den einmaligen Impuls hinausdenken. Langfristige Strategien, modulare Systeme und Interoperabilität sind keine Option, sondern eine Notwendigkeit, um die Gesundheitsversorgung zukunftsfähig zu gestalten.
„Die bisherigen Projekte legen den Grundstein für eine nachhaltige Transformation des Gesundheitswesens“, resümiert Halkaliev. „Der wahre Erfolg wird nicht daran gemessen, wie viele Projekte gestartet wurden, sondern wie nachhaltig diese umgesetzt und weiterentwickelt werden. Es liegt nun an den Kliniken und der Politik, diesen Weg strategisch und zukunftsorientiert fortzusetzen – und eine wirklich vernetzte Versorgung Realität werden zu lassen.“
Weitere Informationen unter https://nursit.de/nursit-home