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Digitaler Impfpass – Datenschutz und Datenchance

Die EU-Kommission ist sich grundsätzlich über die Einführung eines „digitalen Impfpass“ einig. Dieser soll bis zu den Sommerferien vorliegen, vermutlich als kostenlose Smartphone-App, und einen individuellen QR-Code bereithalten. Dieser Code darf nur von autorisierten Personen in Impfzentren, Arztpraxen und Krankenhäusern ausgestellt werden und nur einmalig einlesbar sein. So wird der Code lokal auf einem Smartphone gespeichert, ist also einzig an das einlesende Gerät gebunden. EU-weit sollen Behörden und private Dienstleister mittels einer Prüf-App daraus den Corona-Impfstatus oder ein kürzliches negatives Testergebnis des Trägers lesen können. Dabei soll der digitale Impfausweis nur Daten über die Gültigkeit und Charge der Impfung sowie den Namen und das Geburtsdatum des Geimpften enthalten. Das Konzept lehnt sich an den in Israel eingeführten „grünen Pass“ an.

 

Diese Thematik bietet zweifelsohne Diskussionsstoff für eine gesellschaftliche Debatte über die Wiederöffnung des sozialen Lebens und die etwaige Forderung nach einer Corona-Impfung für den nächsten Kino- oder Konzertbesuch. Darüber muss und wird sich eine gesellschaftspolitische Diskussion entwickeln. Weil es sich hier aber zeitgleich um eine digitale Lösung handelt und noch dazu ein Gesundheitsdatum verarbeitet, gespeichert und ausgelesen werden soll, werden reflexartig auch datenschutzrechtliche Bedenken aufgeworfen.

 

Überhaupt stehe der Datenschutz an oberster Stelle bei der Speicherung der Informationen in EU-weit vernetzten, nationalen Datenbanken. Diese sensiblen Daten wird man doch niemals angemessen schützen können. Eigentlich müsse man das Projekt jetzt schon wieder begraben. Zwar befinden wir uns in einer beispielslosen Gesundheits- und Wirtschaftskrise, die als gesellschaftliche Ausnahmesituation Menschenleben und wirtschaftliche Existenzen kostet. Sollte hier aber ein schnell und sicher überprüfbarer Impfpass helfen können, zurück in einen sozialen Alltag zu finden, müsse dies doch bitte auf jeden Fall aus Gründen des Datenschutzes analog gelöst werden.

 

Was bei der datenschutzrechtlichen Thematik also gerne aus den Augen verloren wird, ist die sachgerechte Abwägung von Datenschutz und Datenchance, die zu der Entwicklung eines verhältnismäßigen Datenschutzniveaus einer Maßnahme oder eines Produktes führen muss. Die anlaufende Diskussion wird nun einmal mehr zeigen, inwieweit wir bereit sind, das Verhältnis von Datenschutz und Datenchance angemessen auszutarieren. Leider gewinnt man hier allzu oft den Eindruck, dass der Datenschutz von einigen Kritikern als schier unüberwindliche Barriere für die Umsetzung einer digitalen und technischen Lösung im Gesundheitsbereich gesehen wird. So erleben wir auch in der rechtsanwaltlichen Praxis, dass unsere Mandanten aus der digitalen und innovativen Medizin immer wieder von anderen Stellen und vermeintlichen Experten mit datenschutzrechtlichen Bedenken überrollt werden, die sich bei einer rationalen und verhältnismäßigen Bewertung oft nicht halten lassen.

 

Schon im Alltag zeigen wir aber, dass wir sehr gerne von analogen Dokumenten und Datenträgern in die Digitalität umsteigen, wenn dies praktisch und sinnvoll ist. Bahnticket, Adressbuch, Musiksammlung und Überweisungsträger bündeln wir auf einem smarten Gerät, weil es uns den Alltag erleichtert und komfortabel ist. Gesundheit und Medizin können bei einer sinnvollen und zweckmäßigen Digitalisierung ebenso vereinfacht und verbessert werden. Hier ist auch Platz für einen technisch guten und sicheren digitalen Impfpass mit angemessenem Datenschutz.

 

Man wird nicht leugnen können, dass die (verschlüsselte) Information: „Impfung: ja/ nein“ zwar ein Gesundheitsdatum ist, isoliert betrachtet aber sicher nicht intimer und schützenswerter als so manche Informationen, die wir bereitwillig in sozialen Netzen und Chats preisgeben. Und wenn der Restaurant- oder Kinobesitzer nun sicher auslesen kann, dass wir eine Corona-Impfung oder einen kürzlichen negativen Tests erhalten haben, dann muss das auch als eine Alternative zu geschlossenen Restaurants und wirtschaftlichem Stillstand gewichtet werden. In diesem Kontext sind datenschutzrechtliche Belange zu bewerten, ohne diese ängstlich und postulierend zu überhöhen.

 

Der EU-weite digitale Impfpass wird zwar nicht den skeptischsten „Querdenker“ überzeugen, aber eine breite Gesellschaft mitnehmen können, die zukunftsorientiert und mit sachlichem Blick ohne unbegründete Technikangst digitale Lösungen für den schnelleren Ausweg aus der Pandemie-Krise anzunehmen und umzusetzen bereit ist. Unter dem Strich wird uns der technische Fortschritt viel mehr nützen als schaden, insbesondere in der Medizin. Datenschutz ist dabei wichtig, muss aber immer im Verhältnis zur Datenchance bemessen werden.

 

Autor:

Friedrich Gottberg, Rechtsanwalt VORBERG.LAW, Hamburg