Selten war so deutlich, dass Gesundheitspolitik in Deutschland darin besteht, elegant mit Lobby-Interessen zu jonglieren. Die Lobby der Hausärzt:innen ist im Zweifel stärker als die der Gesundheitsregionen, das haben wir jüngst gelernt. Ob das zukunftsgewandt ist, spielt keine Rolle. Gesundheitskioske? Kein Geld, dafür greifen wir aber mal kräftig in den GKV-Topf, um neue Studienplätze für Medizin zu finanzieren. (Letzteres ist bisher nur ein Ministervorschlag, stimmt. Aber das Beispiel zeigt wunderbar, wo wir mittlerweile angekommen sind. Aus GKV-Mitteln Studienplätze finanzieren? Ihr Ernst, Herr Minister?)
Wo sind sie, die digital hinterlegten Versorgungsprozesse?
Was das mit Digitalisierung zu tun hat? Einiges. Das immer unerträglichere Geschacher um Geld illustriert, dass dieses Gesundheitssystem effizienter werden muss, ob es will oder nicht. Die Möglichkeiten der Digitalisierung werden dabei noch nicht ansatzweise ausgeschöpft. Mit digital hinterlegten Versorgungsprozessen könnten Fachexpertise und damit Qualität zur Verfügung gestellt und die Patient:innen trotzdem wohnortnah versorgt werden – ohne die Zahl der Versorger:innen ad infinitum zu steigern.
So etwas wird sich aber nur dann herausbilden, wenn es a) technisch möglich und b) finanziell attraktiv gemacht wird, hybride Versorgung zu etablieren bzw. virtualisierte Expertise mit hohem Durchsatz anzubieten. Wie sich die Versorgung vor Ort organisiert, ist dann fast sekundär. Dass die neue gematik verstärkt digitale Versorgungsprozesse unterstützen soll, ist ein richtiger Schritt. Das eigentliche Umparken im Kopf muss aber anderswo stattfinden. Versorgungs- und Vergütungsstruktur in Deutschland müssen sich ändern. Das Bedauerliche ist, dass vielen dazu nur Staatsmedizin einfällt – was kein Problem löst, aber die Innovationstreiber vergrault.
Autor:
Philipp Grätzel von Grätz
Chefredakteur E-HEALTH-COM