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Zurück zu den Wurzeln

von Dr. Isabella C. Wiest & Prof. Dr. Jakob Nikolas Kather

Dank großer Sprachmodelle könnte natürliche Sprache die Zukunft der  Gesundheitskommunikation bleiben. Nie zuvor wurde die menschliche Sprache durch eine Technologie so erfolgreich imitiert und Kommunikation mitsamt Kontext verarbeitet. Das eröffnet neue Möglichkeiten für Interoperabilität, doch wie kann das gelingen?


Medizinisches Personal dokumentiert und kommuniziert in natürlicher, menschlicher Sprache – ob Ärzt:innen, Pfleger:innen oder Physiotherapeut:innen, ein Austausch der relevanten Informationen über die behandelten Patient:innen erfolgt immer, ob schriftlich oder mündlich, in natürlicher Sprache. Oft unterstützen dabei Mnemoniken wie „ABCDE“ in der Notfallsituation oder „SOAP“ für die umfassende Anamnese. Sie legen der Kommunikation eine notwendige Struktur zugrunde und gewährleisten, dass die erforderlichen Elemente für den effektiven Informationsaustausch vorhanden sind.


Um die Informationen allerdings auch interoperabel zwischen zahlreichen Softwaresystemen zu übermitteln, muss ein zeitintensives, oft manuelles Coding erfolgen. Die für Computersysteme und Abrechnungszwecke optimierten Codiersysteme versuchen Diagnosen, Prozeduren und idealerweise deren Zusammenhänge in medizinischen Terminologien und Ontologien strukturiert abzubilden. Darüber hinaus erfolgt eine Strukturierung in interoperablen Datenformaten (HL7/FHIR). Diese Codiersysteme sind für den Menschen wenig verständlich, und Gesundheitsdienstleister investieren viel Zeit und Ressourcen, um die Übersetzung zu leisten. Oft werden spezialisierte Fachkräfte eingestellt, die die Patientenakten nachträglich prüfen, um eine korrekte Codierung zu gewährleisten, was sehr zeitaufwendig ist.


Große Sprachmodelle (LLMs) wie GPT-4 oder Llama 3.1 ermöglichen es Computern, natürliche Kommunikation zu verarbeiten, und können als universelle Übersetzer dienen. Durch ihre Fähigkeit, unstrukturierte Texte in strukturierte Datenformate zu überführen, ist auch eine Übersetzung zu medizinischen Codiersystemen denkbar. Wo früher viel manuelle Arbeit notwendig war, um essenzielle Informationen aus Freitexten für die Analyse in ein strukturiertes Format zu überführen, leisten heute LLMs Abhilfe: Insbesondere Metas Llama-Modelle holen auf, verglichen mit proprietären Modellen wie OpenAIs ChatGPT oder Anthropics Claude, und bieten eine Alternative für die lokale Verarbeitung sensitiver Patientendaten.


Erste Studien zeigen jedoch, dass LLMs für die medizinische Codierung noch nicht ausreichend präzise sind. ­Allerdings basieren diese Untersuchungen auf der denkbar einfachsten Anwendung von LLMs: Dem „Zero-Shot“-Ansatz, bei dem das Modell eine Codieraufgabe nur mithilfe des Trainingsdatensatzes beantworten soll, ohne dass weitere Verbesserungstechniken ausgeschöpft werden. Dabei sind deutliche Performance-Verbesserungen durch Techniken wie „In-Context-Learning“ und „Retrieval-Augmented Generation“ (RAG) möglich. Diese Techniken nutzen die Fähigkeit von LLMs, zusätzliche Informationen in der Anweisung an das Modell (dem sogenannten Prompt) zu verarbeiten und in die Antwort zu integrieren. Dabei können allein Beispiele für die erwünschte Antwort („few-shot prompting“) ausreichen oder relevante Elemente aus einer separaten Wissensdatenbank (RAG) angebunden werden, die das LLM dann zusammenführt.


Wenn sich diese Techniken als erfolgreich erweisen, könnten LLMs die zeitaufwendige Übersetzung natürlicher Sprache in maschinenlesbare Codes erheblich vereinfachen. Die Integration von LLMs in bestehende Workflows verspricht eine effizientere und patientenorientiertere Gesundheitsversorgung, bei der die Kombination aus KI und menschlicher Expertise administrative Aufgaben reduziert und wertvolle Zeit für die direkte Patientenbetreuung freisetzt.

 

Autor:innen:

Dr. Isabella C. Wiest

Else Kröner Fresenius Zentrum für digitale Gesundheit, TU Dresden und II. Medizinische Klinik, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg

 

Prof. Dr. Jakob Nikolas Kather

Else Kröner Fresenius Zentrum für digitale Gesundheit, TU Dresden,  II. Medizinische Klinik Abteilung für medizinische Onkologie, Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT), Universitätsklinikum Heidelberg und VI. Medizinische Klinik, Universitätsklinikum Dresden