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Digitale Medizin auf der Facharztschiene

Digitale Anwendungen für die medizinische Versorgung etablieren sich nur, wenn die Ärzt:innen an der Front von ihnen überzeugt sind. Umso wichtiger, dass sich fachärztliche Kompetenz einbringt. Ein Blick in die Dermatologie und die Urologie.

Bild: © ipopba – stock.adobe.com

Seit rund einem Jahr existiert jetzt der neue Leistungsbereich der digitalen Gesundheitsanwendungen, kurz ­DiGA. Das sind Softwarelösungen, meist mobile Apps, die Ärzt:innen bei bestimmten Indikationen verschreiben können wie ein Medikament. Sie durchlaufen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen Zulassungsprozess und sie werden, wenn genug Evidenz vorliegt oder eine entsprechende klinische Studie läuft oder in Planung ist, im dortigen DiGA-Verzeichnis temporär oder dauerhaft gelistet. Jede App, die es in dieses Verzeichnis schafft, kann regulär rezeptiert werden und wird von der GKV erstattet.


Ob der DiGA-Prozess künftig der Königsweg für digitale Gesundheitsanwendungen in die Versorgung sein wird, darüber gibt es derzeit noch etwas unterschiedliche Meinungen. Einiges dürfte hier von der neuen Bundesregierung abhängen. Wird sie den eingeschlagenen Weg des BfArM fortsetzen – auch wenn das bedeuten dürfte, dass die Behörde personell in diesem Bereich deutlich besser aufgestellt werden muss? Oder forciert eine neue Regierung eher die von den Krankenkassen präferierte Annäherung des BfArM-Prozesses an die hoch standardisierte und hoch institutionalisierte Nutzenbewertung für Arzneimittel und nicht rein digitale Medizinprodukte?


Auch wenn es keine genauen Zahlen gibt, gehen Brancheninsider von rund 20 000 durch Ärzt:innen bzw. Krankenkassen verordnete bzw. zur Verfügung gestellte DiGA im ersten DiGA-Jahr aus. Zumindest aus Sicht der Unternehmen wird dieser Wert mehrheitlich als eher enttäuschend gewertet. Zudem ist das Spektrum der zugelassenen DiGA nach wie vor recht begrenzt. Neuropsychiatrische Anwendungen auf Basis der kognitiven Verhaltenstherapie in den Bereichen Depression, Angststörungen und Schlafstörungen sind der Hauptpfeiler in dem Stand Ende September zwanzig Anwendungen umfassenden DiGA-Verzeichnis. Dazu kommen zwei onkologische Anwendungen, eine Migräne-, eine Tinnitus-, eine Adipositas- und eine Diabetes-DiGA sowie eine DiGA im Bereich Schlaganfall und zwei DiGA im Bereich Bewegungsstörungen/Physiotherapie. Die „Erfolgschancen“ eines DiGA-Antrags lagen bisher bei rund einem Drittel: Über 40 DiGA-Anträge wurden entweder vom BfArM abgelehnt oder vom Hersteller zurückgezogen.


Bald erste DiGA für die erektile Dysfunktion?
Bislang noch nicht im DiGA-Verzeichnis vertreten sind die Urolog:innen. Deren Fachgesellschaft, die Deutsche Gesellschaft für Urologie, hielt im September in Stuttgart ihre Jahrestagung ab – und dort wurde auch über digitale Anwendungen und über Künstliche Intelligenz in der Urologie gesprochen. Ein Urologe, der konkret an einer DiGA arbeitet, ist Prof. Dr. Kurt Miller aus Berlin. Er war 25 Jahre lang Chef der Urologie an der Charité Berlin, bevor er zum Mitgründer des in Berlin ansässigen Start-ups Kranus Health wurde. Sein Ziel ist es, eine digitale Plattform für Männergesundheit zu etablieren. Den Anfang machen soll Kranus Edera, ein Tool für Patienten mit erektiler Dysfunktion (ED).


Kranus Edera ist eine auf zwölf Wochen konzipierte therapeutische Coaching-Anwendung, die eine nichtmedikamentöse Behandlungsoption für ED-Patienten bietet. Die Schwerpunkte liegen auf Herz-Kreislauf-Training, Beckenbodentraining und mentaler Unterstützung in Form von Achtsamkeitstraining. Das Programm enthält aber auch sexualtherapeutische Komponenten. Patienten erhalten detaillierte Trainingspläne, die sich an der individuellen körperlichen Fitness orientieren, außerdem diverse audiovisuelle Inhalte zur Verbesserung des Krankheitsverständnisses und zum Einfluss von Lebensstilfaktoren wie Ernährung oder Stress auf die ED.


Natürlich denkt bei der ED jeder zunächst einmal an Viagra und Co, also an die PDE-5-Hemmer, die eine sehr effektive Behandlung darstellen. Wozu da eine DiGA? Miller sieht einen Bedarf: „Es gibt Patienten, die vertragen PDE-5-Hemmer nicht. Es gibt Patienten, die wollen sie nicht. Und es gibt Patienten, die wollen sie jedenfalls nicht 30 Jahre lang einnehmen.“ In diesen Konstellationen könne die App-basierte Therapie eine Alternative zum PDE-5-Hemmer sein. Der Urologe betonte aber, dass die App natürlich auch parallel zum PDE-5-Hemmer einsetzbar sei. Auf diese Weise lässt sich die ED unter Umständen ganzheitlicher adressieren als mit dem Medikament alleine: Der PDE-5-Hemmer „kümmert“ sich ja nur um den arteriellen Bluteinstrom.


Hoffen auf das Go des BfArM im November
Miller betont, dass es das erklärte Ziel von Kranus Health sei, mit der Edera-App auf dem Weg über das DiGA-Verzeichnis in die GKV-Erstattung zu kommen. Eingereicht wurde schon, das Unternehmen ist optimistisch, dass die angestrebte Listung im Laufe des Novembers vonstattengeht. Für den Fast-Track-Prozess wurden Pilotdaten vorgelegt, die im ersten Jahr nach Listung im Rahmen einer größeren Studie unter realen Versorgungsbedingungen erhärtet werden sollen.


Die Ergebnisse der Pilotstudie hat Miller bei der DGU-Tagung vorgestellt. 44 Patienten wurden mit der App versorgt, teils mit, teils ohne PDE-5-Hemmer. Angesehen haben sich die Urolog:innen den IIEF-Score, der auch in PDE-5-Hemmer-Studien standardmäßig als Effektivitätsendpunkt genutzt wird. Ein Anstieg um 3 Punkte gilt hier als klinisch relevant. „Wir haben eine Verbesserung von 4,5 Punkten gesehen und liegen damit in ähnlicher Größenordnung wie PDE-5-Hemmer“, so Miller. Insgesamt zeigten 96 Prozent der Patienten eine IIEF-Verbesserung in jeglicher Höhe, und 93 Prozent berichten über eine höhere Lebensqualität, quantifiziert mit dem QOL-Med-Score.


Die anstehende randomisierte Studie, die den Weg zu den Preisverhandlungen mit den Krankenkassen und damit zur dauerhaften Erstattung ebnen soll, wird geleitet von der Vorsitzenden des Arbeitskreises Andrologie bei der DGU, Prof. Dr. Sabine Kliesch vom Klinikum Münster. 190 Patienten werden teilnehmen, die die Kranus Edera-App oder nur Informationsmaterial erhalten. Nach Ende der dreimonatigen Intervention wechselt die ursprüngliche Kontrollgruppe dann in die Interventionsgruppe, sodass sowohl vergleichende Daten generiert als auch intraindividuelle Verläufe dokumentiert werden können.


Wie reagiert die Uro-Zunft?
Die wichtigste Herausforderung wird sein, genug Urolog:innen zu überzeugen, die App auch tatsächlich einzusetzen. Miller macht sich da keine Illusionen, denn digitale Innovationen haben es nicht leicht in der ambulanten Versorgung. Hilfreich könnte sein, dass den Urolog:innen bei der ED oft die Zeit für eine umfangreiche Beratung fehlt: „Urolog:innen wollen bei der ED nicht eine halbe Stunde reden“, so Miller. Die App mit ihrem umfangreichen Informationsangebot kann hier helfen. Miller jedenfalls ist davon überzeugt: „Ich habe mit fast allen ­Patienten, die wir bisher behandelt ­haben, selbst gesprochen. Das Programm wird überwiegend sehr positiv bewertet. Wenn die ersten Pa­tienten zu den Urolog:innen zurückkommen und sagen, dass sie das Programm gut fanden, dann wird es laufen.“ Und was wäre für ihn ein Erfolg? „Es gibt in Deutschland etwa 2 800 niedergelassene Urolog:innen. Wir stellen uns vor, dass wir im nächsten Jahr zehn Prozent davon als regelmäßige Verschreiber haben.“
Eine andere Facharztgruppe, die im DiGA-Verzeichnis bisher noch nicht vorkommt, sind die Dermatolog:innen. Das ist insofern etwas erstaunlich, als der Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) einer der digital agilsten fachärztlichen Berufsverbände in Deutschland ist. Im September wurde jetzt bereits der zweite „Digi Derma Day“ ausgerichtet, ein Nachmittag, an dem sich in der Dermatologie engagierte IT-Start-ups im Berliner Columbia-Theater präsentieren und um eine Inkubator-Wildcard der Berater von Vision Health Pioneers wetteifern.


Google fordert Dermatologie heraus
Den „Einheizer“ machte ausgerechnet Dr. Cían Hughes von Google Health, dort als Clinical Research Scientist zuständig für das Thema Bildanalytik – und das heißt im dermatologischen Kontext für das KI-Tool DermAssist, das durch hochrangige Publikationen auf sich aufmerksam gemacht hat und die eine oder den anderen der Dermatolog:innen um die Zukunft des Berufs fürchten lässt. In der Realität will natürlich niemand Dermatolog:innen abschaffen, auch Google nicht. Ziel sei es, Menschen zu helfen, unklare Hautbefunde besser einzuordnen, so Hughes. Der Kontakt zu Arzt oder Ärztin folge dann ohnehin, so die unterschwellige Botschaft, und im Idealfall blieben den Betroffenen durch ein Tool wie DermAssist Odysseen durchs Versorgungssystem – oder zumindest wochenlange Wartezeiten auf einen dia­gnostischen Facharzttermin – erspart.


Der Bedarf sei enorm, so Hughes: „Google verzeichnet zehn Milliarden Abfragen nach Hautbefunden jährlich.“ Es gebe einfach viel zu wenige Dermatolog:innen. Hughes gab zu, dass ein robustes KI-Modell für die Dermatologie eine größere Herausforderung sei, als viele angenommen hatten – und er versicherte, dass die in DermAssist zur Verfügung gestellten Bilddaten ausschließlich der Modellentwicklung und keinerlei anderen Zwecken, auch nicht für gezielte Werbung, dienten. Drei Jahre habe man trainiert und entwickelt, bis man sich getraut habe, erstmals Daten zur Erkennung von Hautbefunden auf Basis von Fotos zu veröffentlichen – vor gut einem Jahr in Nature Medicine. In der derzeit aktuellen Version des DermAssist-Modells seien jetzt 288 verschiedene Hautbefunde berücksichtigt, betonte Hughes. Bei 84 Prozent aller Abfragen lande der korrekte Befund in der Top-3-Liste der Vorschläge der Künstlichen Intelligenz. Und in 97 Prozent tauche er zumindest irgendwo auf der Liste auf: „Wir glauben wirklich, dass das ein nützliches Werkzeug sein kann, um eine Health Journey zu beginnen.“ Health Journey. So redet die Branche.


Nia will erste Neurodermitis-DiGA werden
Zurück zum Digi Derma Day des BVDD und zu seinem Start-up-Wettbewerb. Tatsächlich handelte es sich bei den fünf Unternehmen, die um die Wildcard für den Inkubator konkurrierten, eher um „Grown-ups“, also Unternehmen, die über die unmittelbare Gründungsphase schon etwas hinaus sind. Mehr als deutlich wurde auch, dass die klassische BfArM-DiGA allenfalls ein Teilaspekt der digitalen Dermatologie ist. Von den Unternehmen, die vorstellig wurden – nämlich UVisio, Dermagnostix, Nia Health, Dermus und Legit.Health –, war nur eines, Nia Health, mit einer klassischen DiGA am Start.


Der Antrag auf Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis des BfArM wurde für die Neurodermitis-App Nia mittlerweile eingereicht: „Wir gehen davon aus, dass wir im ersten Quartal 2022 gelistet sein werden“, sagte Nia Health Co-Founder Tobias Seidl selbstbewusst. Die App ist eine Chroniker-App, die als Medizinprodukt zertifiziert wurde, als erste Neurodermitis-App überhaupt. Sie berechnet klinisch validierte Scores, zeichnet Hautbilder auf, integriert Umweltfaktoren und gibt auf Basis der gesammelten individuellen Gesundheitsdaten personalisierte Empfehlungen für das Krankheitsmanagement.


BVDD-Präsident Ralph von Kiedrowski, der beim Digi Derma Day pikanterweise berichtete, dass er bisher ein Verweigerer der Telematikin­frastruktur sei, betonte, dass eine App wie Nia aus seiner Sicht eine sinnvolle Ergänzung der Neurodermitis-Versorgung sein könne. Dabei dürften aber die behandelnden Ärzt:innen nicht vergessen werden: „Wir müssen auch den Kolleg:innen den Nutzen darlegen können. Das ist aber vor dem Hintergrund einer geplanten Vergütung von zwei Euro pro Verordnung einer DiGA schwierig.“ Aus von Kiedrowskis Sicht sind DiGA auf Dauer zum Scheitern verurteilt, wenn die Ärzteschaft bei den Verhandlungen zwischen Start-ups und Krankenkassen nicht stärker berücksichtigt werde.


Digitale Arztunterstützung – aber wer zahlt?

Näher dran an Arzt oder Ärztin ist ein Unternehmen wie Legit.Health, das sich nicht als Patientenanwendung versteht, damit auch keine DiGA-Listung anstrebt, sondern den Dermatolog:innen in der Praxis digital an die Hand gehen will. Dies geschieht in diesem Fall über eine KI-gestützte Fotodokumentation von Hautbefunden mit Automatisierung des Scorings. Bei der Psoriasis beispielsweise sind Dermatolog:innen angehalten, einen Hautscore zu bilden, den PASI. Das kann zeitaufwendig sein, nicht nur, aber insbesondere auch im Rahmen klinischer Studien, bei denen oft gleich mehrere verschiedene Scores erforderlich sind. Hier, beim Thema Arbeitsentlastung, setzt Legit.Health mit seiner arztunterstützenden KI-Anwendung an, und es bekommt von von Kiedrowski dafür gute Noten: „Dokumentation ist für uns ein relevantes Thema.“


Noch medizinischer ist Dermagnostix unterwegs, ein Freiburger Unternehmen, das in Berlin durch seine CTO Katharina Dormanns vertreten war. Dermagnostix ist eine digitale Plattform für die molekulare Hautdiagnostik – und damit ein Tool für die personalisierte, dermatologische Therapie, das im besten Fall abschätzen hilft, ob eine teure Therapie anschlagen wird oder nicht. Basis ist entweder Biopsiematerial oder eine Art Klebebandabstrich des Hautbefunds. Das Material wird in einer Plastikscheibe platziert, die aussieht wie eine Art DVD, in Wahrheit aber ein miniaturisiertes Labor ist. Nach Verarbeitung innerhalb der „DVD“ wird die Probe von einer entsprechenden Apparatur KI-unterstützt vor Ort in der Praxis in 60 bis 90 Minuten analysiert. Der erste Test, der auf dieser Plattform entwickelt wurde, ist eine molekulare Abgrenzung von Psoriasis und Ekzem, was rein optisch im Einzelfall nicht ganz einfach und gleichzeitig sehr relevant ist, weil sich die Therapien diametral unterscheiden: „Insgesamt haben wir jetzt drei Tests auf dieser Plattform verfügbar und planen, damit 2023 in den Markt zu gehen“, betonte Dormanns.


Auch die Nummer vier im Digi Derma Day Wettbewerbs-Club, Dermus, richtet sich an ärztliche Anwender:innen. Das Unternehmen hat einen ultraschallbasierten Hautscanner entwickelt, der am Point-of-Care 3D-Rekonstruktionen der Haut anfertigt und so die Dermatoskopie unterstützt. Mittels erneut KI-gestützter Software können Dermatoskopie- und Ultraschallbefunde übereinander projiziert und für die Hautrekonstruktion genutzt werden – mit im Ergebnis wesentlich präziserer Befunddarstellung als das bisher im Rahmen einer normalen Hautarztpraxis möglich ist. Relevant sei das vor allem beim weißen Hautkrebs, so von Kiedrowski. Allein: Auch bei diesem Tool stelle sich aus ärztlicher Sicht die Finanzierungsfrage.


And the winner is …

Gewonnen hat die Wildcard für den Vision Health Pioneers Inkubator am Ende dann doch eine Patient:innen-Anwendungen – allerdings eine Anwendung, die wahrscheinlich keine DiGA wird, oder die jedenfalls so aufgestellt ist, dass eine Direct-to-Consumer-Platzierung auf Anhieb naheliegender erscheint. Die Rede ist von UVisio, eine präventiv ausgerichtete Anwendung mit Medizintechnikperipherie, die sich der UV-Exposition der Haut und damit der Vermeidung von Hautkrebs und anderen UV-abhängigen Hauterkrankungen verschrieben hat. UVisio besteht in der Basisversion aus einer App mit UV-Sensor, die zum Beispiel auf Reisen oder beim Sport im Sommer die UV-Exposition misst. Die zweite Version verbindet diesen UV-Sensor mit einem auf der Photoplethysmographie basierenden Sensor, der die Hautreaktion auf Sonnenexposition direkt misst, konkret den Melanin-Index und den Erythem-Index. So können – in Abhängigkeit von den Umweltbedingungen und dem individuellen Hauttyp – sehr personalisierte Empfehlungen für die Dauer einer noch gesunden Sonnenexposition geben werden.


Angesichts der Tatsache, dass ein insgesamt bemerkenswert spannender, digitaler Nachmittag der Dermatologie das Thema DiGA nur am Rande tangierte, bleibt am Ende die Frage nach der Zukunft der DiGA in der Versorgung. Zumindest in der Dermatologie würde der digitale Sektor davon profitieren, wenn die rein digitalen Apps sehr viel stärker an die Welt der klassischen Medizintechnik heranrücken würden – was für den DiGA-Prozess dann die Frage in den Raum wirft, wie umzugehen mit solchen Hybrid-Systemen.


Das sieht auch Natalie Gladkov vom Referat Digitale Medizinprodukte des BVMed so. Sie hat sich für den Medizintechnikverband die Innovationen beim Digi Derma Day angesehen und sieht Bedarf für eine Weiterentwicklung der DiGA: „Das Fast-Track-Verfahren für DiGA wurde in kürzester Zeit entwickelt und hat sich schon jetzt bewährt. Drei Viertel aller Hersteller entscheiden sich für diesen Weg. Der Gesetzgeber hat im Sinne der Innovationsförderung an der richtigen Stelle angesetzt.“ Wichtig sei jetzt aber, dass die Prozesse im BfArM-Verfahren verstetigt und die Leistungserbringer:innen sowie Patient:innen über den neuen Versorgungsbereich aktiver informiert würden.


„Auf Basis aller bisherigen Erfahrungen gilt es zudem, in der nächsten Legislaturperiode einen schnelleren Zugang für digitale Medizinprodukte höherer Risikoklassen zu etablieren“, so Gladkov zu E-HEALTH-COM. „Zulassungs- und Bewertungsverfahren sollten dabei an die Innovationszyklen und Eigenschaften von digitalen Medizinprodukten angepasst werden.“ Wer auch immer neue/r Bundesgesundheitsminister/in wird: Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) und Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) werden nicht die letzten gesetzlichen Worte in Sachen DiGA gewesen sein.


Neben der Frage nach der Weiterentwicklung des DiGA-Verfahrens lautet die zweite, brennende Frage nach dem Digi Derma Day: Wie können jene digitalen Innovationen besser in die Arztpraxen kommen, die schon deswegen keine DiGA werden, weil sie sich nicht direkt an Patient:innen richten? Politische Stichworte dazu sind „Praxismodernisierungsgesetz“ oder „Arztpraxenzukunftsfonds“, sprich umfangreiche finanzielle Förderprogramme für eine bessere Ausstattung der Arztpraxen mit innovativen Anwendungen und Tools nach dem Vorbild des Krankenhauszukunftsgesetzes. Ob das allerdings politisch und finanziell durchsetzbar ist, darüber gehen die Meinungen in Berlin stark auseinander.