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KHZG – und endlich fliesst das Geld?

Seit Anfang des Jahres können deutsche Krankenhäuser im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) Fördergelder beantragen, die sie in moderne Notfallkapazitäten, die Digitalisierung und in IT-Sicherheit stecken können. Doch ganz so einfach ist es nicht: Jedes Bundesland kocht sein eigenes Süppchen bei der Antragstellung, außerdem gibt es Strafzahlungen, für alle, die ihre „digitale Reife“ nicht erreichen – und obendrein auch noch unklare Ausschreibungspflichten. In den Krankenhäusern herrscht Unsicherheit...

Quelle: © Onidji – stock.adobe.com

Insgesamt stehen den Krankenhäusern mehr als vier Milliarden Euro zur Verfügung. Damit können die Häuser endlich ihre digitalen Prozesse optimieren und z. B. in Cloud-Lösungen investieren. Diese fallen nämlich unter den Fördertatbestand 7 (Leistungsabstimmung und Cloud Computing, § 19 Abs. 17 Satz 1 Nr. 7 KHSFV). Ziel dabei ist die Förderung standortübergreifender Versorgungsstrukturen, eine verbesserte Abstimmung der Krankenhäuser untereinander sowie die Vermeidung von Doppelstrukturen. Darüber hinaus soll der übergreifende Datenaustausch – vor allem von Patientendaten – vorangetrieben werden.
Damit die Krankenhäuser für diese digitalen Anwendungen auch Gelder erhalten, müssen die Anwendungen, wie alle anderen geförderten Lösungen auch, bestimmte Kriterien erfüllen. So muss es sich um eine einrichtungsübergreifende Versorgungsleistung handeln oder die einrichtungsübergreifende Nutzung von IT-Ressourcen gewährleisten. Darüber hinaus ist im Havariefall die Patientenversorgung sicherzustellen. Hinzu kommen ein paar Kann-Kriterien, wie eine gemeinsame Hardware oder In­frastruktur, die Entwicklung, Implementierung und der Betrieb gemeinsamer Software oder Maßnahmen zur Stärkung der IT-Sicherheit.


Förderfähige Cloud-Lösungen
Für Krankenhäuser stellen Cloud-Lösungen ein bisher ungenutztes Potenzial dar. Eröffnen sie doch die Möglichkeit, über den Betrieb in selbstskalierender Umgebung hinaus als Basis oder zumindest zentrales Element regionaler digitaler Ökosysteme zu dienen. Das kann in Form von modular aufgebauten Architekturen und in Zukunft auch als KIS-Multi-Vendor-System passieren. „Ich nenne das Hybrid-Plug-In-KIS, denn es wäre wünschenswert, wenn Krankenhäuser, die ein Modul haben, lediglich Plug-Ins nutzen können“, sagt so Prof. Dr. Peter Haas, Professor für Medizinische Informatik an der Fachhochschule Dortmund, beim „KHZG Deep Dive“ des health innovation hub des Bundesgesundheitsministeriums. Ein weiterer Vorteil: Die Cloud-Anwendungen könnten zu Web-Anwendungen werden, die u. a. eine ubiquitäre Nutzung auf Mobilgeräten zulassen.


KIS-Systeme sind über die Jahre immer komplexer geworden. Sie bestehen meistens aus administrativen und medizinischen Kernsystemen. Hinzu kommen Subsysteme wie z. B. das Küchensystem, Ambulanzsysteme oder das Apothekensystem, die im KIS verankert sein können oder als Extramodule an das Kernsystem gekoppelt sind. Darüber hinaus gibt es Spezialfunktionen oder spezielle Add-Ons. Zusammengenommen bilden sie ein kleines Ökosystem im Krankenhaus.


Inzwischen gibt es viele Ansätze, ganze Subsysteme oder dezidierte Module in die Cloud auszulagern. Möglich ist auch, lediglich einzelne Funktionen outzusourcen oder sogar ganz neue Funktionen, Module oder Subsysteme – etwa kleine, innovative Spin-Offs wie z. B. die Symptom-Dokumentation – in der Cloud aufzusetzen.


Cloud-KIS haben das Potenzial, zur Basis oder zumindest ein zentrales Element regionaler Ökosysteme im Gesundheitswesen zu werden. Krankenhäuser können etwa digitale Patientenportale problemlos als neue Cloud-Lösung aufsetzen, auf die im besten Fall dann auch andere Häuser aus der Region zugreifen. Dabei helfen die Standards im Gesundheitswesen, weil sie den Aufbau der Interoperabilität von Microservices erleichtern. Eine weitere Nutzung von Cloud-Lösungen ist der Aufbau von gemeinsamen regionalen Wissensmanagement-Plattformen.


Das KHZG, so Haas‘ Fazit, bietet einen guten Einstieg in die „Cloudifizierung“, weil für die im neuen Paragrafen 19 der Krankenhausstrukturfonds-Verordnung benannten Fördergegenstände die Legacy-KIS um Cloud-Native-Module erweitert werden. Haas rät Krankenhäusern, bei der Umsetzung von Digital-Projekten stets zu bedenken, dass das KHZG nicht nur im Fördertatbestand „Cloud“ Förderungen zulässt, sondern Cloud-Technologien auch in den anderen Tatbeständen Teil der Förderung sein können.


Medikationsmanagement im Krankenhaus
Ein anderes wichtiges Thema in den Krankenhäusern, für das Fördermittel beantragt werden können, ist die digitale Medikation. Ein Beispiel dafür findet sich am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf. Das Klinikum hat mehr als zehn Jahre Erfahrung mit Closed-Loop Medication Management. Begonnen hat alles mit der Einführung der elektronischen Patientenakte als Grundlage für die elektronische Verordnung, die in Eppendorf in die Akte integriert wurde. Dies ermöglicht den ortsunabhängigen Zugriff auf die Akte inklusive Medikation. Darüber hinaus steht ein Arzneimittel-Decision-Support zur Verfügung und das System unterstützt bei der Arztbriefschreibung, der Erstellung eines Medikationsplans sowie des Entlassbriefs.
Neben der Implementierung der elektronischen Patientenakte markiert die veränderte Medikamentenversorgung den nächsten Baustein des Closed-Loops. „Wir schicken unsere Apotheker:innen direkt auf die Stationen, weil diese das Verschreibungssystem am besten kennen und die Medikation mit einer ganz anderen Brille sehen“, sagt Dr. Michael Baehr, Apothekenleitung am Uniklinikum. Die Zusammenarbeit mit den Ärzt:innen sei sehr viel enger geworden, Entscheidungen bezüglich der Medikamententherapie würden in gegenseitiger Absprache getroffen.  


In einem dritten Schritt folgt die patientenindividuelle Medikamentenversorgung. Durch diese konnte das Uniklinikum die händische Zusammenstellung der Arzneimittel durch Pflegende hinter sich lassen. Heute übernehmen das in der Krankenhausapotheke installierte Automaten, die die Medikamente automatisiert verpacken und den Beipackzettel in Form eines QR-Codes auf der Tüte vermerken. Inzwischen werden 15 000 und 17 000 Units pro Tag erstellt. Die Prozessumstellung hat zu einer signifikanten Fehlerreduktion geführt: Bei den durch den Automaten gestellten Tabletten lag sie nur noch bei 4,2 Prozent.


Auch was die Dokumentation angeht, hat die Umstellung auf digitale Prozesse viele Verbesserungen mit sich gebracht: Transkriptionen sind nicht mehr notwendig, stattdessen liegen übersichtliche Arbeitslisten vor. Zudem gibt das System Hinweise zur Applikation durch die Software.


Das Uniklinikum plant ebenfalls, Förderanträge im Sinne des KHZG zu stellen. So sollen automatische Schranksysteme für Betäubungsmittel mit einer Kopplung an die Verschreibungslösung angeschafft werden. Darüber hinaus will Baehr den Einsatz von Robotik in der parenteralen Zubereitung vorantreiben, ein pharmazeutisches Aufnahme- und Entlassmanagement etablieren und die Ausweitung der Unit-Dose-Versorgung auf Liquida vornehmen.


Administrative und rechtliche Hürden
Die beschriebenen Beispiele zeigen, dass die Möglichkeiten für förderfähige Projekte vielfältig sind, dennoch herrscht bei vielen Krankenhäusern große Unsicherheit bis hin zu Ratlosigkeit, was die Antragstellung für die Fördergelder angeht. Antragsteller:in kann laut Formulierungshilfe nur ein Bundesland sein. Die inhaltliche und prozessuale Ausgestaltung der Anträge liegt dabei bei den Ländern. Mit anderen Worten: Jedes Land trifft eigene Entscheidungen, wie es mit den Bedarfsmeldungen der Krankenhäuser umgeht und z. B. welche Fristen für die Antragseinreichung eingeräumt, auf welche Art die Zusagen getroffen werden oder ob bestimmte thematische Schwerpunkte bevorzugt werden. Offenbar gibt es dazu auch keine Abstimmung der Bundesländer untereinander, was besonders Antragstellungen für solche Krankenhäuser, die über Landesgrenzen operieren, erschweren dürfte.


Eine Art strategische Selektion im Hinblick auf eine digitale Ausrichtung oder Schwerpunktsetzung eines Bundeslandes oder einer Region gibt es anscheinend nicht. In der Regel werden Anträge bis zur Grenze der Finanzmittel angenommen, die dem Bundesland zur Verfügung stehen, ohne Inhalte oder Schwerpunkte bevorzugt zu fördern. So eine Vorgehensweise hätte aber Vorteile: Denkbar wäre beispielsweise, dass sich ein Land die schwerpunktmäßige Förderung von Arzneimitteltherapiesicherheit auf die Fahne schreibt und Anträge, die in diese Richtung gehen, bevorzugt weitergibt. Eine solche Strategie könnte die Antragstellung für Kliniken erleichtern, weil sie Anhaltspunkte für förderfähige Projekte liefern könnte – vor allem, wenn sie über Bundesländer hinweg mit anderen Trägern kooperieren oder als Klinikketten operieren.
Die unterschiedliche Herangehensweise der Bundesländer an die Antragstellung erweist sich als Hindernis für die Planbarkeit von Projekten. Weitere Unklarheiten haben sich im Laufe der letzten Zeit in Bezug auf die Ausschreibungspflicht ergeben. Die Frage, ob private Träger mit ihren Projekten durch die Annahme von Fördergeldern des Bundes nicht doch in eine Ausschreibungspflicht geraten, ist bisher nicht in Gänze geklärt.


In vielen Häusern herrscht außerdem Sorge, die Muss-Kriterien bis 2025 nicht erreichen zu können und dann Vertragsstrafen (in Höhe von zwei Prozent Erlösverlust) zahlen zu müssen. Grundsätzlich muss sich jedes Haus, das Fördergelder beantragt, einer digitalen Reifegradmessung unterziehen. Diese wird nach zwei Jahren wiederholt, um festzustellen, ob in der Zwischenzeit die „digitale Reife“ erlangt wurde. Ist das nicht der Fall, folgen die Strafzahlungen.


Hinzu kommt, dass nicht nur die Ressourcenlage der Krankenhäuser knapp ist, auch Hersteller:innen und Dienstleister:innen müssen mit der durch das Gesetz ausgelösten Auftragsflut umgehen. Das kann allerdings zu Verzögerungen bei der Umsetzung von Projekten führen. Die Angst, den Gesetzesanforderungen nicht gerecht zu werden, geht zuweilen so weit, dass manche Klinik lieber keinen Antrag stellt, um sicher zu sein, am Ende nicht mit Pönalen überzogen zu werden. Damit wäre dann wohl das Gegenteil vom ursprünglichen Ziel erreicht.


Das KHZG ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Es bietet Krankenhäusern die längst überfällige Möglichkeit, den Investitionsstau in Sachen Digitalisierung abzubauen. Dennoch bleiben zahlreiche Hürden, die es zu nehmen gilt, bevor das Geld fließt.