E-HEALTH-COM ist das unabhängige Fachmagazin für Gesundheitstelematik, vernetzte Medizintechnik , Telemedizin und Health-IT für Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Mehr

Für das ePaper anmelden

Geben Sie Ihren Benutzernamen und Ihr Passwort ein, um sich an der Website anzumelden

Anmelden

Passwort vergessen?

Top-Thema |

Krankenhaus-IT: Navigieren auf dem Data Lake

Das größte Förderprogramm für Klinik-IT, das es in Deutschland je gab, geht zu Ende. Die digitalen Herausforderungen enden aber nicht, im Gegenteil. Ausschließlich durch Produkte und Lösungen lassen sich die Herausforderungen nicht adressieren. Es kommt auch auf innere Werte wie Data Governance an – und auf eine moderne, in digitale Zeiten passende Führungslandschaft.

Bild: © Best_Seller – stock.adobe.com, 997485845, Stand.-Liz.

Wer wissen will, was geht in Sachen Digitalisierung im Krankenhaus, der muss Einrichtungen besuchen, die mutig vorangehen. In Deutschland kann einem hier unter anderem das Universitätsklinikum Essen einfallen, das sich auf den Weg in Richtung Smart Hospital gemacht hat – unter anderem im Rahmen eines Förderprojekts des Landes Nordrhein-Westfalen, das noch bis Ende 2025 läuft. Beim 18. Meeting am Meer in Heiligendamm berichtete Anke Diehl, Chief Transformation Manager am Essener Uniklinikum, über Erfolge und Herausforderungen.


Im Zentrum der Essener Bemühungen steht das Zugänglichmachen der klinischen Daten. Dazu wurde über die, wie in jeder Uniklinik, zahllosen Subsysteme eine FHIR-Plattform gelegt, in Essen SHIP genannt, die die Daten zusammenführt und sie standardisiert zugänglich macht: „Wir verfügen mittlerweile über 1,5 Milliarden FHIR-Ressources. Das ist der mit Abstand größte Data Lake Europas, und wahrscheinlich einer der größten weltweit.“ 


Patient Dashboard hat viele Fans

Die Daten, so Diehl, würden genutzt, um Applikationen zu ermöglichen, die oft von jenen initiiert würden, die am Patientenbett, am Point-of-Care, arbeiten. Rund sechzig derartige Applikationen werden mittlerweile bereitgestellt. Eine der beliebtesten ist das Patient Dashboard, das – maßgeschneidert auf die jeweilige Abteilung – im Rahmen einer zusätzlichen Nutzeroberfläche einen Überblick über Patient:innen und deren ICD- und OPS-Codes gibt. Mit dem Dashboard wird es möglich, in die einzelnen Patient:innen quasi hineinzuzoomen: „Das geht teilweise bis runter auf die Ebene der Einzelbefunde“, so Diehl. 


In der Radiologie sieht das zum Beispiel so aus, dass es statt der üblichen drei Monitore – zwei für Bilder, einer fürs Radiologieinformationssystem (RIS) – deren vier gibt, nämlich einen weiteren für das Patient Dashboard. „Das ermöglicht es, beim Befunden direkt in die klinische Akte hineinzugucken“, so Diehl. Andere Applikationen in Essen sind ein FHIR-basierter Psychoonkologie-Fragebogen und eine Anwendung für die Schlaganfallversorgung, StrokeBot. Dieser führt CT-Protokolle, Labordaten und andere relevante Informationen fallbasiert zusammen und verbindet nach Art eines Messengers alle an der Akutversorgung beteiligten Fachrichtungen von Neurologie über Neurochirurgie bis Neuroradiologie. 

 

Eher ein Zufallsprodukt ist die Applikation „Body and Organ Analyzer Report“, der CT-basiert die Körperkomposition analysiert und zugänglich macht. Hier gebe es zunehmend wissenschaftliche Publikationen, wonach die Körperzusammensetzung als ein Biomarker für Herzinfarktrisiko oder auch Tumorerkrankungen fungieren könne: „In Zukunft werden wir immer mehr digitale Biomarker datenbasiert definieren, die uns dann die Arbeit erleichtern“, ist sich Diehl sicher.


Phönix aus der Datenasche: Epikrise entsteht per KI

Über eine andere datenbasierte Anwendung, für die es in Zeiten zunehmender Dokumentation und einer zunehmenden Zahl an nicht muttersprachlichen Ärzt:innen einen hohen Bedarf gibt, berichteten Ira Stoll von dem KI-Start-up myScribe und Claas-Olsen Behn, Oberarzt für Gastroen­terologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Das Unternehmen myScribe entwickelt und vertreibt einen KI-basierten Arztbrief, genauer: eine durch ein Large Language Model (LLM) verfasste Epikrise. Für die Aufgabe, aus einem Wust an Informationen und Daten die wesentlichen Botschaften zu extrahieren, seien LLMs prädestiniert, so Stoll.


Die myScribe-Anwendung zieht über FHIR-Schnittstellen Daten aus sämtlichen Subsystemen inklusive PDMS. Das Mannheimer Unternehmen kooperiert dazu mit Anbietern von HL7-FHIR-basierten Clinical Data Repositories (CDR) und Mapping-Spezialisten – darunter Tiplu, DMI und demnächst vitagroup. Fast in jeder Klinik, in die man komme, müsse man das CDR mitbringen, so Stoll. Das sei aber kein Problem, denn die Kliniken würden die Datenplattform auch für andere Anwendungen nutzen, etwa Patientenportale. Was das LLM angeht, hat myScribe ein Open-Source-Modell genommen und es dann einem Finetuning unterzogen. Für eine optimale Akzeptanz wurde zusätzlich eine Explainable-Funktion eingebaut, die an den entsprechenden Stellen der Epikrise auf Wunsch den zugehörigen Befund anzeigt. Wichtig sei, dass ausnahmslos alles bearbeitbar und änderbar sei, so Stoll. Nutzer:innen können die KI auch bitten, einen Satz neu zu generieren, wenn er stilistisch nicht gefällt.


Zwei Kernvorteile sieht Stoll bei der KI-generierten Epikrise, zum einen die Zeitersparnis, zum anderen die Überwindung von Sprachbarrieren. Letzteres sei nicht nur für Assistenzärztinnen und -ärzte hilfreich, die die Briefe typischerweise verfassen, sondern auch für jene, die die Arztbriefe korrigieren und freigeben müssen. Unter der Annahme, dass pro Arzt / Ärztin eine Stunde pro Tag eingespart werde, könne eine Klinik mit 450 Arztstellen theoretisch ärztliche Arbeitszeit im Wert von 5,2 Millionen Euro pro Jahr für andere Tätigkeiten freiräumen.


Am UKSH wird der KI-basierte Arztbrief von myScribe derzeit implementiert, genauer: Die KI-basierte Epikrise ergänzt und befüllt die bereits existierende Arztbriefoberfläche, die in anderen Teilen vom dortigen Klinikinformationssystem (KIS) Orbis und weiteren Systemen gefüttert wird. Wichtig sei es, so der Gastroenterologe Behn, klar zu kommunizieren, dass der Arztbrief auch weiterhin supervidiert beendet werde: „Die Arztbrief-KI ist quasi wie ein PJler.“ Rund 30 bis 40 Sekunden dauert der Arztbriefaufbau am UKSH derzeit. Das Training bzw. Finetuning der KI anhand lokaler Daten erfordert einen bis drei Monate. In dieser Zeit wird die Epikrise immer besser. Auch das sei nichts Neues, so Behn: „Kein Assistenzarzt schreibt am Anfang perfekte Briefe.“


Neues Level bei der fallbegleitenden Codierung 
Nicht nur Ärzt:innen, auch Codier-Fachkräfte sind knapp und ihre Zeit ist wertvoll. Über ein Projekt, das Daten für Codieren zugänglich macht, berichteten Timur Kaya, Leiter Digitalisierung und IT bei den Kreiskliniken Dillingen-Wertingen, und Joachim Neugebauer von der vitagroup. Die Kreiskliniken Dillingen-Wertingen haben knapp 300 Betten und knapp 1 000 Mitarbeiter an zwei Standorten. Als Datenintegrationsplattform genutzt wird dort das CDR der vitagroup. 


„Wir waren eine der ersten Kliniken in Deutschland, die ein CDR ausgeschrieben haben“, so Kaya. Bei anderen neu ausgeschriebenen IT-Systemen würden in Dillingen heute generell nur noch Anbieter berücksichtigt, die Daten ins CDR einspielen oder aus dem CDR nutzen können. „Unser Ziel ist es, das CDR als Fundament zu nutzen, um die Daten allen Beteiligten zur Verfügung zu stellen. Letztlich sehen wir es als eine Art Gesundheitsdaten-Backend, auf dem wir schnell und kostengünstig neue Anwendungen entwickeln können.“


Eine solche Anwendung, die zunächst als Proof-of-Concept realisiert wurde, ist eine fallbegleitende Codierung. Manuell codieren ist ein hoher Aufwand, bei größeren Fällen ist ein Case Manager schon mal zwei bis drei Stunden beschäftigt. Rückstaus bei der Abrechnung kommen immer wieder vor, und in Zeiten ohnehin knapper Mittel können sie liquiditätsbedrohend werden. Hier wollten die Dillinger ansetzen. Für die fallbegleitende Codierung werden die Daten, die in diesem Fall überwiegend aus dem KIS CGM Medico kommen, strukturiert im CDR zur Verfügung gestellt und per Text-Mining und Maschinenlernplattform – zum Einsatz kommt eine Lösung von Averbis – analysiert. Auf dieser Basis werden den Codier-Fachkräften dann ICD-10-Codes vorgeschlagen, die sie verwenden können, aber nicht müssen. Zusätzlich wurde eine strukturierte Erfassung von Entlass- und Aufnahmediagnosen realisiert. 


Die Bilanz des Projekts falle „relativ erfreulich“ aus, so Kaya. Das Projekt zeige, dass ein CDR strukturierte Daten nicht nur für Versorgungszwecke, sondern auch für wirtschaftlich-administrative Anwendungen zur Verfügung stellen könne. Konkret wurden 81 Prozent der ICD-Codes von der Anwendung so vorgeschlagen, wie es die Codier-Fachkraft auch gemacht hätte. „Man kann das nicht blind nutzen, es gibt immer noch ein Delta für die manuelle Codierung. Das CDR ersetzt kein Codier-System, aber es kann eine deutliche Arbeitserleichterung sein“, so Kayas Fazit.


Erst kommt die Strategie, dann kommt die KI
Die Beispiele Universitätsklinikum Essen, KI-basierte Epikrise und fallbegleitende Codierung zeigen, was möglich ist, wenn es gelingt, Daten zur Verfügung zu stellen und zusammenzuführen. Prinzipiell könne jedes Krankenhaus derartige digitale Früchte ernten, betonte Hendrik Riedel von dem Beratungsunternehmen Digital Avantgarde, das zahlreiche Krankenhäuser im deutschsprachigen Raum bei der digitalen Transformation unterstützt: „Voraussetzung für solche Projekte ist ein hoher Reifegrad im Bereich Innovations- und Transformationsfähigkeit.“


Riedel warnte allerdings davor, zu glauben, dass man KI einfach kaufen könne. Neue Produkte erwerben, das habe nicht zuletzt das KHZG-Förderprogramm gezeigt, sei oft auch Ausdruck von Aktionismus, der langfristig nicht wirklich weiterhilft. Stattdessen plädieren die Berater:innen aus Würzburg für eine strategische Herangehensweise, bei der auf der ersten Stufe breit aufsetzende Digital- und Datenstrategien formuliert werden. Danach geht es dann auf der zweiten Stufe in spezifische Strategien für die einzelnen Geschäftsbereiche – inklusive IT-Strategie und Medizintechnik-Strategie, die an die übergeordneten Digital- und Datenstrategien angepasst sein müssen.


Die Investition in Interoperabilität sei bei einem solchen strategischen Vorgehen ein zentraler Pfeiler, betonte Riedel: „Man muss die Lösungen aber auch bewerten können.“ Der zweite große Investitions- und Innovationsbereich sind für ihn Cloud-Technologien. Beides, Interoperabilität und Cloud-Betrieb, vereinfacht die subsystemübergreifende Analyse des eigenen Datenschatzes – sei es mit Methoden der traditionellen Business Intelligence, sei es unter Nutzung von Maschinenlernalgorithmen. KI-Lösungen kommen so gesehen am Ende, nicht am Anfang einer digitalen Transformation, aber sie müssen von Anfang an mitgedacht werden: „KI hat im Krankenhaus eine transformative Wirkung“, betonte Anke Diehl.


Transformative Ausschreibungen: Blick nach Basel 
Auch wer strategisch denkt und arbeitet, muss bei einem digitalen Transformationsprozess an irgendeiner Stelle konkrete Ausschreibungen vornehmen, sei es für Interoperabilitätsplattformen, sei es für ein neues KIS, von dem mitunter und etwas naiv erwartet wird, dass es alle Interoperabilitätsprobleme gleich mitlöst. Ein großes Krankenhaus, dessen aktuelle Ausschreibung weit über die Stadt hinaus Aufmerksamkeit erfährt, ist das Universitätsspital Basel (USB).
Auch in Basel, so Dr. Amanda Herbrand, Clinical Data Specialist am USB, kämpfe man mit der oft zitierten administrativen Überlastung der primärversorgenden Berufe, mit hohen Kosten für Sekundärprozesse, hohen Maintenance-Kosten für eine komplexe IT-Landschaft und mit aufgrund schlechter Datenqualität und -zugänglichkeit oft frustranen IT-Kollaborationen. Was tun? Im Rahmen eines mehrstufigen Prozesses wurde zunächst eine unternehmensweite Digitalstrategie und dann eine konkrete Umsetzungsstrategie beschlossen, letztere unter dem programmatischen Titel Data Driven Hospital. 


Ein Teil dieser mehrjährigen Planungsphase war ein Proof-of-Concept-Projekt für eine OpenEHR-basierte Datenarchitektur, das im Jahr 2022 stattfand und dessen Ergebnisse alle Beteiligten überzeugt hatten. Diesen Weg wollten die Basler weitergehen. Da gleichzeitig die beiden am USB im Einsatz befindlichen KIS abgelöst werden mussten oder sollten, wurde ein (noch laufendes) Ausschreibungsverfahren konzipiert, das es so im deutschsprachigen Raum noch nicht gab. In Form von zwei Losen ausgeschrieben wurden sowohl ein neues KIS als auch ein CDR, wobei das CDR das Herzstück der künftigen IT-Landschaft werden soll: „Alle Applikationen müssen ihre Daten im CDR speichern“, betonte Herbrand. Das KIS wäre in einer auf OpenEHR, FHIR und SNOMED basierenden IT-Landschaft dann nicht mehr das primär datenführende System: „Wir werden sehen, welcher KIS-Anbieter das bedienen bzw. erfüllen kann“, so Herbrand. 


Business Relationship Management als Erfolgsfaktor
Auch in anderer Hinsicht lohnt ein Blick nach Basel, denn dort gibt es nicht nur eine innovative Ausschreibung, sondern es werden auch neue Wege im Bereich Leadership gegangen – mit neuen Strukturen, die die IT-Abteilung mit den anderen Geschäftsbereichen enger verzahnt. Die IT, so das Credo, soll nicht mehr als ein Dienstleister wahrgenommen werden und agieren, sondern als eine eigenständige Einheit, die die Bedürfnisse der unterschiedlichen Kliniken und Geschäftsbereiche des USB quasi antizipiert und mitgestaltet. 


Damit das funktioniert, gibt es umfangreiche Business-Relationship-Management-Aktivitäten in Richtung der unterschiedlichen Fachbereiche. Unter anderem werden gezielt Ärztinnen und Ärzte ins IT-Team geholt, um Bedürf­nisse besser aufnehmen, aber auch Limits von Architekturen besser zurückspielen zu können. Letztlich, so Herbrand, gehe es darum, auf Augenhöhe sprechen zu können, damit die Kund:innen in den Fachbereichen sähen, dass ihnen jemand gegenübersitzt, der sie versteht. Das lässt man sich einiges kosten. Derzeit wird ein Team aus Kliniker:innen aufgebaut, die zu 100 Prozent in der IT arbeiten. Dieses klinische Team soll die Anforderungen der Fachabteilungen an Schnittstellen aufnehmen und in ein Datenmodell überführen. Zusätzlich sind Mediziner:innen gesucht, die die IT-Abteilung langfristig unterstützen, und zwar mit etwa 10 bis 20 Prozent ihrer Arbeitszeit. In dieser Zeit sollen sie dann auch aus Mitteln der IT-Abteilung bezahlt werden.


Bemühungen um Data Governance zahlen sich aus
Führungskraft und sinnvolle Führungskonzepte sind auch im Bereich Data Governance gefragt – ein Thema, das in zu vielen Häusern noch unter dem Radar läuft. Dass Daten über eine wie auch immer geartete, technische Plattform zugänglich und interoperabel gemacht werden, heißt noch lange nicht, dass sie auch umfassend genutzt werden. Zu einer Datenstrategie gehört deswegen immer auch eine Kommunikationsstrategie, die darauf abzielt, Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit Daten zu organisieren, Rollenmodelle zu entwickeln und zum Leben zu erwecken und Maßnahmen zu treffen, die auf optimale Datenqualität zielen.


Wie das aussehen kann, schilderten Katharina Ginter von der Digital Avantgarde und Tristan Hoffmann, IT Development Lead am Universitätsklinikum Ruppin-Brandenburg. Grundsätzlich, so Ginter, sei es hilfreich, nach der Reifegradbestimmung und der Ausarbeitung einer auf Datenqualität fokussierenden Datenstrategie ein überschaubares, konkretes Pilotprojekt zu starten, bei Themen, die möglichst viele Abteilungen angehen. Das könne beispielsweise die Implementierung einer LOINC-annotierten Allergiedokumentation in hoher Datenqualität sein, oder auch ein hochwertiger Standarddatensatz für die Reanimation.


Am Klinikum Ruppin-Brandenburg wurde Data Governance zur Chefsache gemacht. In einer Reihe von Teilprojekten wird versucht, die Datenlandschaft zunehmend zu konsolidieren und zu standardisieren und einen rollenbasierten Datenzugriff zu realisieren. Dazu gehören u. a. ein Master Patient Index und ein rollenbasierter Zugang zum Notaufnahme-System. Hoffmanns Lieblingsprojekt ist aktuell die Umsetzung des Kerndatensatzes der Medizininformatik-Initiative: „Das geht in Bezug auf Data Governance in die Richtung, die wir uns vorstellen: ein hochstrukturierter, abteilungsübergreifender Datensatz, der konsequent auf Standards setzt. Kein Krankenhaus wird nativ Daten in genau dieser Struktur vorliegen haben. Wenn wir nicht auf Standards setzen, dann haben wir keine Chance, so etwas manuell zusammenzubasteln. Solche und ähnliche Anforderungen können wir nur erfüllen, wenn wir unsere Data Governance in den Griff bekommen.“ 


Nationale Plattform als Standardisierungstreiber
Helfen bei der Standardisierung könnten nicht zuletzt regulatorische Vorgaben, betonte Peter Gocke, Leiter der Stabsstelle Digitale Transformation an der Charité Berlin. Mit Einführung der neuen elektronischen Patientenakte Anfang 2025 werde es zum ersten Mal in Deutschland ein Gesundheitsdatenökosystem geben, das alle drei Sektoren nutzen bzw. mit dem alle drei Sektoren arbeiten können müssen. Zwar seien PDF-Dokumente per se noch keine Standardisierungstreiber. Mit der zunehmenden Einführung Medizinischer Informationsobjekte (MIO) werde sich das aber ändern, und auch die Einführung des TI-Messengers sieht er als hilfreich für eine zunehmende Vereinheitlichung der Datenformatlandschaft im Krankenhaus an. 


In welchem Umfang bei zunehmender Standardisierung der Datenformate langfristig noch zusätzliche, vereinheitlichende Standardisierungslösungen nötig sind, diese Frage hält Gocke noch für unbeantwortet. Er erinnerte an die Radiologie, wo die Einführung und Durchsetzung des DICOM-Standards die meisten Interoperabilitätsprobleme gelöst habe – ohne zusätzliche Middleware. Gocke kann sich sogar vorstellen, dass die Telematikinfrastruktur mit ihrer elektronischen Patientenakte irgendwann dazu führt, dass die dezentrale Datenspeicherung – oder zumindest Teile davon – aussterben. Das klingt in Deutschland noch abenteuerlich, aber völlig aus der Luft gegriffen ist das nicht: Andere Länder machen es teilweise schon vor.