E-HEALTH-COM ist das unabhängige Fachmagazin für Gesundheitstelematik, vernetzte Medizintechnik , Telemedizin und Health-IT für Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Mehr

Für das ePaper anmelden

Geben Sie Ihren Benutzernamen und Ihr Passwort ein, um sich an der Website anzumelden

Anmelden

Passwort vergessen?

Top-Thema |

Patentrecht: Wie können wir uns das schützen lassen?

Deutschland erlebt einen Digital-Health-Gründerboom. Neben medizinischen und regulatorischen Herausforderungen müssen sich die jungen Unternehmen auch um den Schutz ihres geistigen Eigentums kümmern. Und dabei gibt es einiges zu beachten. Ein Überblick.

Quelle: © wladimir1804 – stock.adobe.com

Für Life-Science-Unternehmen bieten sich durch Digitalisierung und Vernetzung große Chancen, ihr Angebot auszuweiten und den Kundennutzen, beispielsweise für ärztliches Personal sowie Patientinnen und Patienten, zu erhöhen. Entsprechende Entwicklungen sind aber teuer und müssen sich für das Unternehmen amortisieren. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Schutz von geistigem Eigentum, auch Intellectual Property (IP) genannt.


Um geistiges Eigentum zu schützen, stehen grundsätzlich verschiedene Instrumente zur Verfügung, die idealerweise aufeinander abgestimmt in einer Gesamtstrategie zum Einsatz kommen: Neben dem Urheberrecht, beispielsweise auf einen Computerquellcode, das keine Eintragung in ein amtliches Register voraussetzt, stehen Registerrechte wie Patente, Marken und Designs zur Verfügung. Während Patente Schutz auf technische Erfindungen ermöglichen, können mit Designs ästhetische Erscheinungs-
formen, beispielsweise von Produkten oder Benutzeroberflächen, geschützt werden. Marken wiederum dienen dazu, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens durch ein möglichst unterscheidungskräftiges Kennzeichen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Ein weiteres Instrument ist die Geheimhaltung von Informationen als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis. Der Fokus liegt hier im Folgenden auf Schutz von technischen Erfindungen durch Patente.


Ein gutes eigenes Patentportfolio sichert die aktuellen und zukünftigen Produkte des Unternehmens ab, insbesondere deren für den Kunden bedeutsame Alleinstellungsmerkmale. Daneben sind frühzeitige Patentanmeldungen für in der Entwicklung befindliche Konzepte und Zukunftsfelder ratsam, um hier Grundlagenschutz zu erzielen. Auch die Patentierung von kostengünstigeren oder
weniger vorteilhaften Umgehungslösungen kann nützlich sein – selbst wenn das Unternehmen diese gar nicht umsetzt. Denn hierdurch werden Wettbewerbern solche Alternativen verwehrt sowie die Nachahmung erschwert. Schließlich können in einem Patentportfolio auch solche Schutzrechte sinnvoll sein, die konkrete Merkmale von Wettbewerberprodukten schützen – zum Beispiel als Verhandlungsmasse in Lizenzverhandlungen oder als sogenanntes „Backfire Potential“ bei möglichen Verletzungen von Patentrechten des Wettbewerbers durch eigene Produkte.

Durch die Digitalisierung ergeben sich hierbei neue Herausforderungen. Insbesondere

  • neue Kommunikationstechnologien,
  • vernetzte Systeme und
  • grenzüberschreitende Prozesse

können zu Problemen führen. Hier müssen Unternehmen sehr genau hinschauen, um sich gut abzusichern.


Umgang mit neuen Kommunikationstechnologien
Durch die Integration von Kommunikationstechnologie in medizinische Geräte und Systeme sind plötzlich neue und andere Wettbewerber relevant, die die eigene Handlungsfreiheit einschränken können. Bisher herrschte in der Medizintechnik ein relatives Marktgleichgewicht, die Patentsituation war relativ leicht zu überwachen. Aber: Durch die Integration von Kommunikationsschnittstellen im Bereich von Industrie 4.0 und „Internet of Things“ (IoT) erhöht sich die Komplexität deutlich. Es werden Kommunikations- und Datenverarbeitungstechnologien genutzt, wie etwa Mobilfunkverbindungen mittels UMTS oder LTE, die durch Hunderte oder sogar Tausende von Patenten geschützt sind. Diese gehören oft Unternehmen, die selbst gar nicht im Gesundheitsbereich aktiv sind, aber eine Kompensation für die von ihnen entwickelte Technologie erwarten. Die Patentinhaber verlangen daher zumeist den Abschluss von Lizenzverträgen und können bei deren Verhandlung und ggf. auch der Durchsetzung ihrer Patente auf langjährige Erfahrungen zurückgreifen, die einem traditionellen Life-Science-Unternehmen in diesem Bereich in vielen Fällen fehlen. Auch in technischen Fragen verfügen die Patentinhaber, die auf diesem Gebiet zu Hause sind, über einen erheblichen Wissensvorsprung.


Unternehmen sollten deshalb die Technologielieferanten genau überprüfen und für den Fall einer Patentverletzung vertragliche Vorkehrungen treffen. Wichtiger noch ist es allerdings, eine Strategie zu entwickeln, wie mit Lizenzanfragen und Verletzungshinweisen Dritter umgegangen werden soll.


Patente bei vernetzten Systemen

Vernetzte Systeme bringen es mit sich, dass Erfindungen von mehreren Teilnehmern gemeinsam verwirklicht werden. Beispiele sind medizinische Geräte, die der Patient am Körper trägt. Sie erfassen Daten und interagieren zum Teil mit dem Patienten. Eingestellt und ausgelesen werden sie von Ärzten, während die Datenverarbeitung durch Service-Provider erfolgt. Hier gibt es also mehr als einen Akteur .


Wenn solche vernetzten Systeme patentrechtlich geschützt sind, wird das Patent in der Regel nicht mehr von einem einzelnen Teilnehmer allein verletzt, sondern einzelne Teilnehmer verletzen ein solches Patent nur noch mittelbar.


Es ist deshalb besser, Patentansprüche möglichst auf einzelne Geräte oder Einheiten zu richten, wenn diese erfinderische Aspekte aufweisen. Falls nur das Gesamtsystem erfinderisch ist, sollten Unternehmen in der Patentanmeldung das funktionale Zusammenspiel der verschiedenen Schritte oder Teile besonders hervorheben.


Herausforderungen bei grenzüberschreitenden Verfahren

Grenzüberschreitende Prozesse, wie etwa neue Diagnoseverfahren basierend auf Blut- oder Plasmaproben, sind Gegenstand intensiver Forschung und Entwicklung. Da der Schutz für technische Erfindungen immer nur territorial begrenzt gilt, müssen Unternehmen hier besonders aufmerksam sein, um ihren Wettbewerbsvorsprung zu sichern. Andererseits besteht die Herausforderung, Schutzrechte Dritter auf diesem Gebiet zu umgehen – ohne deren Patente zu verletzen.


Hierfür gibt es im Wesentlichen zwei Ansätze. Der erste ist die „Zuschreibung“ von im Ausland durchgeführten Verfahrensschritten zu einem inländischen Verfahrensbeteiligten. Denn wenn ein Verfahren teilweise im Inland und teilweise im Ausland durchgeführt wird, kann ein Patentverletzungsprozess in Deutschland nur dann erfolgreich geführt werden, wenn die im Ausland durchgeführten Verfahrensschritte einem in Deutschland handelnden Teilnehmer „zugeschrieben“ werden können. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die im Ausland stattfindenden Handlungen durch einen – wie im Strafrecht definierten – „Mittäter“ durchgeführt werden. Ferner ist erforderlich, dass in Deutschland wesentliche Teile des Verfahrens stattfinden, die den Erfolg der Erfindung realisieren.


Derivativer Produktschutz
Ein zweiter Ansatz, um Patente auch im internationalen Kontext zu sichern, ist der sogenannte „derivative Produktschutz“. Er gilt für Produkte, die mit einem patentierten Verfahren hergestellt werden. Denn im deutschen Patentrecht sind auch das Anbieten, Inverkehrbringen oder Verwenden eines nach einem patentierten Verfahren hergestellten Produkts untersagt.


Dafür ist es erforderlich, dass das Verfahren zu einem Produkt führt, das durch das Verfahren erzeugt oder modifiziert wird und geräteähnliche, technische Eigenschaften aufweist. Dabei muss das Produkt nicht notwendigerweise ein physisches Objekt sein. Es reicht aus, wenn das Verfahrensergebnis geeignet ist, Gegenstand eines Vorrichtungsanspruchs zu sein oder wie eine Vorrichtung verwendet zu werden. Aber: Ein Ergebnis, das nur in Form von Wissen oder Erkenntnissen vorliegt, ist kein Produkt im Sinne dieser Gesetzesvorschrift.


Beispiel: Bei einem Diagnoseverfahren ergeben die im Ausland durchgeführten Verfahrensschritte – Probenanalyse, Bestimmen des Elements A und B und Erstellen einer Diagnose basierend auf dem Vorhandensein von A oder B – eine Diagnose, die dann in Deutschland vorliegt. Bei der Diagnose handelt es sich jedoch um eine Erkenntnis und nicht um ein Produkt mit technischen Eigenschaften. Daher greift für dieses Beispiel der derivative Produktschutz in Deutschland nicht.


Anders sieht es aus, wenn im Ausland Daten empfangen, getrennt und in geänderter Form wieder zusammengefügt werden. Das ist zum Beispiel bei bestimmten Datencodierungen der Fall. Als Ergebnis dieses Verfahrens liegt eine neue Datenstruktur vor. Diese wurde durch das patentierte Verfahren erzeugt und ist insofern ein technisches Ergebnis, für das derivativer Produktschutz in Deutschland bestehen kann.


Um den Herausforderungen gerade bei grenzüberschreitenden innovativen Prozessen zu begegnen, sollten Unternehmen deshalb in Verfahrensansprüchen letzte Schritte hinzufügen, die im Inland durchgeführt werden müssen. Außerdem sollten sie möglichst Verfahren beanspruchen, die zu einem Produkt im oben genannten Sinne führen – und nicht nur zu neuen Erkenntnissen.

 

Autoren

Dr. Katrin Winkelmann
Patentanwältin, European Patent Attorney, European Trademark and Design Attorney,
Eisenführ Speiser, Hamburg
Kontakt: kwinkelmann(at)eisenfuhr.com

 

Dr. Tilman Müller
Rechtsanwalt, Fachanwalt für gewerblichen Rechts-schutz, Eisenführ Speiser, Hamburg
Kontakt: tmueller(at)eisenfuhr.com