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Vernetzte Forschung: Joint Imaging Platform des DKTK

Die laufende Medizininformatik-Initiative soll die digital vernetzte, medizinische Forschung in Deutschland voranbringen. Doch auch in den schon länger bestehenden Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung werden übergreifende IT-Plattformen aufgebaut. Ein Vorreiter ist das Deutsche Konsortium für Translatio-nale Krebsforschung (DKTK) mit seiner Joint Imaging Platform für eine vernetzte Forschung in der onko-logischen Bildgebung.

Grafik: © DKTK

Im DKTK sind acht Standorte mit mehr als zwanzig Institutionen zusammengeschlossen. Ziel ist es, neue Methoden und Therapieansätze der Krebsforschung schneller in die klinische Praxis zu bringen. Die gemeinsame Forschung – unter Verwendung medizinischer Bilddaten – stellt das Konsortium vor besondere Herausforderungen, welche mithilfe der Joint Imaging Platform (JIP) seit knapp zwei Jahren systematisch angegangen werden.


Die medizinische Bildgebung im DKTK hat zwei zentrale Säulen. Zum einen werden neue Techniken und Kontraste zur innovativen radiologischen und nuklearmedizinischen Bildgebung entwickelt und validiert. Zum anderen unterstützt die biomedizinische Bildgebung klinische DKTK-Studien bei der Durchführung von vereinheitlichten bildbasierten Messungen, beispielsweise zur Beurteilung von Therapieansprechen. In beiden Bereichen spielt die Erforschung und der Einsatz neuartiger Auswertetechniken, insbesondere Methoden aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI), eine zentrale Rolle.


Herausforderungen  
Das Potenzial der Forschung im Bereich der medizinischen Bildgebung wird von einigen Faktoren beeinflusst. Eine wichtige Grundvoraussetzung für die Zusammenarbeit im Bereich der Radiologie und Nuklearmedizin ist eine ausreichende Harmonisierung der Bildqualität und der Aufnahmeeinstellungen. Eine unzulängliche Standardisierung kann zu erheblichen Schwierigkeiten bei der standortübergreifenden Auswertung von Bildinformationen führen.


Eine weitere Herausforderung für die gemeinsame Forschung im bildgebenden Bereich sind die hohen Anforderungen an eine zentrale Datenauswertung. Bereits die lokale Datenexploration an einem der Standorte und eine entsprechende Kohortenselektion unter Einbeziehung des vorhandenen Bildmaterials ist ohne Hilfsmittel sehr ressourcenintensiv.


Ein unbegrenzter und „beliebiger“ Datenaustausch

zwischen Zentren wäre zwar technisch umsetzbar, stößt jedoch schnell an ethische, legale und politische Grenzen. Da die Forschung im Bereich KI-basierter Techniken bekannterweise sehr datenhungrig ist, können Algorithmen durch die genannten Einschränkungen im Bereich des Bilddatenaustauschs kaum ihr Potenzial entfalten; wie es aktuell in anderen Disziplinen und Industrien bereits geschieht.


Eine weitere Herausforderung stellt das besonders geschützte und reglementierte Klinik-IT-Umfeld dar. Hierbei müssen die Zugriffsbeschränkungen und standort-individuellen Kontrollmechanismen beachtet werden und es muss mit der heterogenen Ausgestaltung der jeweiligen Soft- und Hardwarelandschaften umgegangen werden.


Föderierte Vorgehensweise

Im DKTK sollen diese einschränkenden Faktoren durch die JIP ausgehebelt werden. Durch eine föderierte Vorgehensweise werden viele der oben genannten Herausforderungen angegangen. Die Daten verbleiben geschützt am Standort, verschickt werden dagegen Algorithmen und die Ergebnisse von Analysen. Die Datenhoheit bleibt somit erhalten. Zu diesem Zweck wurde an jedem der DKTK-Standorte ein dedizierter Rechenknoten installiert, auf dem eine lokale Instanz der JIP-Software installiert ist.


Diese einheitliche Ausstattung erweitert die lokale Forschungsinfrastruktur an jedem klinischen Standort, u.a. um die Möglichkeit von Deep-Learning-Anwendungen auszuführen. Über Schnittstellen gliedert sich die JIP in die lokale, sehr heterogene klinische Softwarelandschaft ein. So werden vorhandene Grundsysteme um eine standardisierte Umgebung für moderne Bildverarbeitung erweitert. Während der Einsatz von KI-basierten Lösungen im Normalfall Spezialisten vorbehalten ist, soll die JIP den üblicherweise hohen Aufwand zur Integration und Ausführung derartiger Tools minimieren. Auch soll ein vereinheitlichter Zugang zu den am Standort vorliegenden Daten zum Zweck der reibungslosen Durchsuchbarkeit ermöglicht werden.


Grundkonzepte

Die JIP basiert auf sogenannten Private-Cloud-Technologien. Der Nutzerzugang zur Plattform wird webbasiert über ein Browser Interface realisiert. Die JIP setzt hierbei auf eine Reihe von Industriestandards, die weitestgehend nicht domänenspezifisch sind. Beispielsweise wurde durch einen konsequent modularen Aufbau und die Verwendung von Container-Technologien wie Docker und Kubernetes die Erweiter-, Wart- und Skalierbarkeit im Grunddesign des Systems verankert. Auch im domänenspezifischen Bereich setzt die JIP auf den intensiven Einsatz von offen verfügbaren Standards. DICOM beispielsweise wird durchgehend verwendet, wo es möglich und sinnvoll ist, was auch den Einsatz von neueren Aspekten des Standards wie DICOM SEG, DICOM SR und DICOMweb mit einschließt.


Die JIP setzt konsequent auf Open-Source-Lizenzen. Dadurch entstehen keine Lizenzkosten und die Plattform bleibt offen für Erweiterungen und innovative Weiterentwicklung. Die Metadaten der Patienten und der dazugehörigen Bildgebung werden standardisiert abgelegt. Auf Basis der Technologien Elasticsearch und Kibana bietet die JIP die flexible Möglichkeit, diese Daten grafisch aufzubereiten und dynamisch zu visualisieren. Dies kann zum Beispiel der Stratifizierung von Patienten anhand der Metadaten und Bildaufnahmeparameter dienen.


Eine besondere Herausforderung für die JIP stellt das besonders geschützte und reglementierte IT-Umfeld im klinischen Betrieb dar. Hierbei gilt es, die weitgehenden Zugriffsbeschränkungen und standort-individuellen Kontrollmechanismen zu beachten. Die heterogene Ausgestaltung der Soft- und Hardwarelandschaften in den verschiedenen Kliniken macht dies nicht leichter. Die JIP wird nur erfolgreich sein können, wenn diese technischen, politischen, ethischen und rechtlichen Hürden aus dem Weg geräumt werden und für alle Beteiligten die entsprechend benötigte Incentivierung funktioniert.


Methoden verpacken und verschicken
Was genau leisten die einzelnen Technologien, die im Rahmen der JIP zum Einsatz kommen? Der konsequente Einsatz von Docker erlaubt das Verpacken von Algorithmen in sogenannten Containern, die verschick- und ausführbar sind. Diese Art von Kapselung bringt viele Vorteile mit sich. So können die Algorithmen standardisiert und weitgehend unabhängig von der Hardware  ausgeführt werden, sie sind somit „garantiert kompatibel“ und verhalten sich an allen Standorten gleich, da sie ihre eigene Laufzeit-umgebung mitbringen. Auch erlaubt diese Technologie die standardisierte Versionierung und Distribution von Algorithmen mit Zugriffskontrolle.


Die unterliegende Technologie, welche zur Orchestrierung der gesammelten Algorithmen- und Infrastrukturcontainer zum Einsatz kommt, heißt Kubernetes. Kubernetes ist ein ursprünglich von Google entworfenes Open-Source-System, welches Container-Anwendungen automatisiert bereitstellt und verwaltet. Es unterstützt eine Reihe von Container-Tools einschließlich Docker und erlaubt die Skalierung auf verteilte Hosts.


Apache Airflow dient als Plattform, um auf Basis der Dockercontainer ganze Pipelines und Workflows zu definieren, zeitlich zu planen und zu monitoren. Abhängigkeiten werden hierbei automatisch geprüft und aufgelöst, Abläufe im System können visualisiert und überwacht werden. Die Konzeption der JIP sieht vor, dass ein einmal verpackter Methodencontainer die klinische Zugänglichkeit zu aktuellen methodischen Forschungsergebnissen ermöglichen und erleichtern soll.


Aus Sicht der Methodenentwickler kann die JIP per­spektivisch dabei unterstützen, Forschungsergebnisse mit begrenztem Aufwand auf realen klinischen Daten validieren zu können. In Zukunft soll ein wichtiger Fokus der Plattformentwicklung auf den Mechanismen des föderierten Lernens liegen. Auch werden kontinuierlich neue Methoden und Techniken zur Garantie des Datenschutzes und der Sicherheit der Plattform erforscht und entwickelt.


Anwendungsmöglichkeiten

Die Anwendungsmöglichkeiten der JIP sind vielzählig und weit gefächert. Während die JIP als föderiertes System konzipiert ist, wird ein erster konkreter Nutzen bereits beim lokalen Einsatz erzielt. So kann die JIP beispielsweise direkt zur Analyse der Bild-Metainformationen genutzt werden, was Einblicke in verschiedene organisatorische Aspekte wie Geräteauslastung, Protokolleinstellungen, Kontrastmitteleinsatz und vieles mehr erlaubt. Auch wird so die Definition von Kohorten, welche beispielsweise eine bestimmte Bildgebung erhalten haben, ermöglicht. Die Anwendung eigener sowie fremder Algorithmen (Segmentierung, Volumenberechnung,  Radiomics etc.) für die Analyse der vorhandenen lokalen Bilddatenbestände sowie auch die webbasierte standardisierte Annotation neuer Datensätze wird durch die JIP erheblich vereinfacht.


Darüber hinaus wird sich der besondere Nutzen der JIP in gemeinsamen Konsortialprojekten zeigen. Seit März dieses Jahres sind sowohl Hard- als auch Software an den (meisten) Standorten einsatzbereit. Algorithmen für die standardisierte Auswertung der Bilddaten können nun zunächst lokal entwickelt und dann mühelos allen teilnehmenden Partnern zur Verfügung gestellt werden. Dies wird es ermöglichen, Studien mit großen Patientenzahlen durchzuführen und erheblich zum Erkenntnisgewinn in der Krebsforschung beizutragen.


Für das kommende Jahr sind zahlreiche Studien geplant, die das Potenzial der gemeinsamen Infrastruktur unterstreichen werden. Diese werden beispielsweise die Möglichkeiten der JIP im Bereich des DICOMweb-Bilddatenaustauschs nutzen, um Follow-up-Untersuchungen von Prostatakarzinom-Patienten mithilfe multiparametrischer MRT-Aufnahmen zu verbessern. Die Möglichkeiten der JIP für Erstellen, Austausch und Verwendung von KI-basierten Tools (Dockercontainern) werden zur standardisierten Quantifizierung (Segmentierung, Auswertung) von radiologischen und nuklearmedizinischen Bilddaten für eine bessere Beurteilung von onkologischen Läsionen eingesetzt werden. Auch die Harmonisierung und interaktive Analyse prä- und postoperativer Bildgebung ist in
Planung. Weitere semi-automatische Auswertetools werden mithilfe der JIP zur über Standorte verteilten Evaluation bereitgestellt werden. In all diesen Vorhaben ist die Vorgehensweise dadurch erleichtert, dass die Primärdaten die Standorte nicht verlassen müssen.