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Digi-Karl statt Corona-Karl?

Der Chefsessel im Bundesgesundheitsministerium ist besetzt, doch was heißt das für die Telematikinfrastruktur? Klar ist, es besteht Handlungsbedarf.

Foto: © Karl Lauterbach

Als Karl Lauterbach (SPD) am Nikolaus-Tag als neuer Gesundheitsminister aus dem Stiefel poppte, war die jüngste Diskussion um die Telematikinfrastruktur schon einige Tage lang in vollem Gange. Am 1. Dezember hatte die gematik in gewohnter Kürze bekanntgegeben, dass die Anmeldung für die bundesweite Testphase des E-Rezepts ab sofort über die gematik Webseite möglich sei. Softwareanbieter von Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäusern sowie Abrechnungszentren wurden aufgerufen, sich zu beteiligen, nachdem bisher nur in Berlin und Brandenburg getestet worden war. Im weiteren Verlauf der Meldung wurde deutlich, wo die Probleme der Fokusregion Berlin-Brandenburg liegen: Nur vier PVS-Hersteller und zwei Krankenkassen hätten teilgenommen. Das, so die gematik, sei zu wenig.

 

Das E-Rezept: Bisher eher Schnecke als Rakete

Die Meldung der gematik kam als Reaktion auf eine Art Brandrede des KBV-Vorstands Thomas Kriedel. Der hatte kurz zuvor darauf hingewiesen, dass in der Fokusregion statt geplant mindestens 1000 E-Rezepten gerade einmal 42 erfolgreich ausgestellt und abgerechnet worden seien. Auch sei kein Krankenhaus beteiligt gewesen. Die KBV weiter: „Ob alle Anwendungen uneingeschränkt funktionieren, ist aufgrund des niedriger ausgefallenen Testvolumens zweifelhaft und daher noch nicht abschließend zu beurteilen.

 

Mit der bundesweiten Ausdehnung der Pilotierung ist die KBV vor diesem Hintergrund nicht einverstanden. Dies sei „nicht sinnvoll“. Allerdings sei ihr Gegenvorschlag, nämlich transparente Qualitätskriterien zu definieren, die die Anbieter erfüllen müssten, abgelehnt worden. Mit Blick auf Januar sehen die Kassenärzte in jedem Fall schwarz: „An der bundesweit verpflichtenden Einführung zum 1. Januar 2022 für diejenigen, die dazu technisch in der Lage sind, E-Rezepte zu erstellen beziehungsweise einzulösen, ändert sich nach wie vor nichts. Die Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und Krankenhäuser appellieren aber dringend an den Gesetzgeber, die Anwendung des eRezeptes erst nach einer ausreichenden Testphase und erwiesener Praxistauglichkeit für den Regelbetrieb in den Praxen vorzusehen.“

 

Gilbert Mohr: „KIM-Traffic wird explodieren“

Eher deprimiert gab sich zuletzt auf Twitter auch Gilbert Mohr, lange Jahre KV Nordrhein und ein Faktotum der deutschen Gesundheitsdigitalisierung: „eAU, E-Rezept, ePA – nichts funktioniert in der TI eine Woche vor dem Regierungswechsel. Wer ist schuld? Systemversagen – wir alle. Lichtblick: KIM hält keiner mehr auf, in 2022 wird der KIM-Traffic explodieren. ePA und E-Rezept: Schaun, was die Ampel draus macht.“

 

Zwischen diesen Äußerungen und dem heutigen Tag steht die Ernennung Karl Lauterbachs zum neuen Gesundheitsminister und der Amtsantritt der Ampel-Koalition. Auch über den Koalitionsvertrag hat der eine oder die andere seither intensiv gebrütet. Spannend zum Beispiel die Frage, was die im Koalitionsvertrag angekündigte Umwandlung der gematik in eine „Digitalisierungsagentur“ eigentlich genau bedeutet. Nur eine Floskel? Oder mehr? Üblicherweise bedeutet „Agentur“ eine rein vom Staat gelenkte Einrichtung – die Bundesagentur für Arbeit etwa, oder die Bundesagentur für Sprunginnovationen. Wird also aus dem 51 % Anteil des BMG an der gematik eine 100 % Nummer, mit anderen Worten: Fliegen die Gesellschafter komplett raus?

 

Der IT-Verband BVITG hielt sich in einer ersten Reaktion auf den Koalitionsvertrag zum Thema Digitalisierungsagentur bedeckt: Das Thema wird umgangen, dafür bekommen die Pläne für eine Digitalisierungsstrategie und für ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz gute Noten. Beides hat freilich mit der Telematikinfrastruktur allenfalls indirekt zu tun.

 

Lauterbachs Team nimmt Formen an

Karl Lauterbach selbst hat sich bisher nicht zum Thema Digitalisierung geäußert. Er ist noch weitgehend im COVID-Modus. Doch dem deutschen Gesundheitswesen täte es gut, wenn Corona-Karl so langsam auf Digi-Karl umschalten würde. Dass er in Sachen Digitalisierung eher für mehr als für weniger Staat ist, daraus hat er nie ein Geheimnis gemacht. Er war als Ulla Schmidts Sekundant im Jahr 2002 maßgeblich an der mittlerweile legendären „Einführung“ der elektronischen Gesundheitskarte beteiligt gewesen und hatte sich vor vier Jahren, bei der CEBIT 2017, bitter beklagt, dass die Selbstverwaltung dieses Thema jahrelang verzögert habe. Ob er sie jetzt aus der gematik herauskickt?

 

Konturen gewonnen hat mittlerweile das Team um Lauterbach herum, die zweite – manche sagen auch eigentliche – Führungsebene im BMG. Viel Lob erhalten die beiden Parlamentarischen Staatssekretär:innen: Die Allgemeinmedizinerin Sabine Dittmar war selbst als Ministerin gehandelt worden und war zuletzt gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag. Edgar Franke ist Jurist und ebenfalls ein sehr erfahrener Gesundheitspolitiker, unter anderem war er 2014 bis 2017 Vorsitzender des Gesundheitsausschuss. Dittmar und Franke lösen die beiden CDU-Parlamentarier:innen Thomas Gebhart und Sabine Weiß ab, die unter Jens Spahn eher blass geblieben sind. Dritter im Lauterbach-Bunde und als verbeamtete Staatssekretärin die „eigentliche“ Chefin der künftigen Friedrichstraße wird die SPD-Politikerin Antje Draheim, bisher Staatssekretärin im Sozialministerium Mecklenburg-Vorpommern.