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Digitales DMP Diabetes: Wird die Chance genutzt?

Anfang 2027 soll das dDMP Diabetes starten. Es könnte ein Turbolader für mehr digitale Versorgungsprozesse werden. Doch wird diese Chance auch ergriffen?

Montage: © Linda Wedi; Bild: © Farknot Architect - stock.adobe.com

Etwa 9 Millionen Menschen in Deutschland leben mit Diabetes. Es handelt sich um ein komplexes Geschehen, an der Versorgung sind viele Fachrichtungen beteiligt. Entsprechend groß ist das Potenzial der Digitalisierung in diesem Bereich. Die Politik hat das erkannt und das digitale Disease-Management-Programm (dDMP) Diabetes ins Leben gerufen. Es soll Anfang 2027 an den Start gehen und die konventionellen DMP Diabetes ergänzen.

 

Die Ziele des dDMP Diabetes sind u.a. mehr Selbstbestimmung der Betroffenen, bessere Kommunikation zwischen allen Beteiligten, eine Entlastung der Arztpraxen und eine Stärkung der Rolle der jeweils koordinierenden Praxis. Letztlich soll eine Art Modell für die Chronikerversorgung insgesamt etabliert werden, das digitale Bausteine und Anwendungen wie die elektronische Patientenakte (ePA), den TI-Messenger, den sicheren E-Mail-Dienst KIM oder auch Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) nutzt.

 

Hybride Versorgungsprozesse denken, statt nur Tools auflisten

Gemeinsam mit der Digitalberatung _fbeta hat die Bertelsmann Stiftung jetzt eine neue Studie vorgestellt, die skizziert, wie das dDMP Diabetes und damit eine prototypisch-hybride Versorgung konkret ausgestaltet werden könnte. Anhand von ausgewählten Versorgungspfaden zeigt die Studie, wie Betroffene und Behandelnde analoge und digitale Optionen kombinieren können. So kann beispielsweise zur Nachbetreuung nach Hypoglykämie ein TI-Messenger-Chat genutzt werden. Ein in die ePA transferierter DiGA-Report kann dem koordinierenden Arzt einen Überblick über den Blutzuckerverlauf geben. Und ein digitaler Medikationsplan kann die Medikamenteneinnahme unterstützen.

 

Insgesamt enthält die Studie knapp fünfzig typische Versorgungssituationen, die über das dDMP digital hinterlegt werden könnten. „Das dDMP Diabetes kann die Strukturen und Prozesse der konventionellen DMP-Versorgung nahtlos mit digitalen Lösungen verzahnen“, sagt Marion Grote Westrick, Senior Project Manager des Programms Gesundheit der Bertelsmann Stiftung. Gemeinsam mit Jörg Caumanns von _fbeta und Andrea Fürchtenicht, ebenfalls Programm Gesundheit der Bertelsmann Stiftung, gibt Marion Grote Westrick in Heft 5/2025 der E-HEALTH-COM einen Überblick über die Studie und den Diskussionsstand rund um das dDMP Diabetes.

 

G-BA bleibt hinter Erwartungen zurück

Die Frage ist: Werden die Möglichkeiten der hybriden Ausgestaltung von Versorgungsprozessen im Rahmen des dDMP auch konsequent umgesetzt? Eine entscheidende Rolle kommt hier dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu, der eine entsprechende Ergänzung der DMP-Anforderungs-Richtlinie vorgenommen hat. Hier geht es allerdings im Wesentlichen um operative Vorgaben, etwa zur Einschreibung. Außerdem werden Elemente eines dDMP wie ePA, Videosprechstunden, Online-Schulungen, DiGA und digitale Blutzuckermessungen erwähnt.

 

Aber reicht das? Caumanns, Fürchtenich und Grote Westrick sind zumindest skeptisch, wie sie bei E-HEALTH-COM schreiben: „Entgegen der Zielsetzung steht dieser Beschluss zum dDMP in keinem Bezug zu den im DMP Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 durchaus detaillierten Vorgaben und Empfehlungen zu Versorgungszielen und -handlungen. Die digitalen Möglichkeiten werden benannt, bleiben aber beliebig, da es keinerlei konkrete Hinweise gibt, für welche Patient:innen wann welche konkreten digitalen Funktionen in welchem Zusammenspiel mit den klassischen Versorgungsabläufen zur Nutzung empfohlen sind. Obwohl der G-BA das dDMP als Add-On zum DMP definiert, sieht er keine zusätzlichen Handlungsfelder vor und definiert auch keine neuen dDMP-spezifischen Qualitätsindikatoren. Der Beschluss des G-BA zum dDMP bleibt somit deutlich hinter den Möglichkeiten und Erwartungen zurück.“

 

Zumindest wird nichts verboten

Zu spät ist es für eine stärkere Konkretisierung einer echten, hybriden Versorgung aber noch nicht. Die Krankenkassen werden im Laufe des Jahres 2026 die Umsetzungsverträge zum dDMP gestalten müssen, und hier könnten durchaus versorgungspfadspezifische Regelungen aufgegriffen werden, die über eine reine Auflistung digitaler Tools und Kommunikationswege hinausgehen. So gesehen, so Caumanns, Grote-Westrick und Fürchtenicht, böten die oberflächlichen G-BA Vorgaben vielleicht sogar eine Chance: „Auch wenn nur wenig vorgegeben ist, so ist auch nichts verboten.“

 

Weitere Informationen:

Die Studie „Patientenpfade im digitalen DMP Diabetes“ von _fbeta und der Bertelsmann Stiftung kann hier heruntergeladen werden:

https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/qualitaetsorientiertes-steuerungssystem/projektnachrichten/patientenpfade-im-ddmp-diabetes

 

Der G-BA Beschluss zur Ergänzung der DMP-Anforderungsrichtlinie von März 2025 ist hier einzusehen: https://www.g-ba.de/beschluesse/7130/