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Health-IT |

Endlich die losen Enden verbinden

Die EU-Kommission hebt ab in Richtung European Health Data Space (EHDS). Ein langjähriger Kenner der europäischen Digitalisierungspolitik hat sich das mal genauer angesehen.

Mit dem Entwurf für die EU-Verordnung zum Europäischen Gesundheitsdatenraum („COM(2022) 197 final: Proposal for a Regulation on the European Health Data Space) legte die EU-Kommission am 3. Mai 2022 einen umfassenden Masterplan für Gesundheitsdaten in Europa vor. Der 122 Seiten lange Gesetzestext betrifft gleichermaßen Versorgungsdaten („MyHealth@EU“) und Sekundärdatennutzung für Wissenschaft und Innovation („HealthData@EU”), kurz EHDS1 und EHDS2.

 

Bereits Anfang März machte ein erstes Papier als „Leak“ die Runde. Dies war eine frühe Vorfassung einer „Mitteilung“, also nur eine Art Absichtsbekundung. Auffällig darin: Große Summen sollen in die Vervollständigung des grenzüberschreitenden Netzwerks „MyHealth@EU“ gesteckt werden: Im Leak waren es noch 100 Mio. Euro, in der endgültigen Fassung jetzt sogar 800 Mio. Euro („Ein europäischer Raum für Gesundheitsdaten: Das Potenzial von Gesundheitsdaten für die Allgemeinheit, für Patientinnen und Patienten und für Innovation erschließen“ [COM(2022)196 final]). Zudem sollen über den Resilence and Recovery Fond RRF noch weitere 11-12 Milliarden Euro für die Digitalisierung des Gesundheitswesens in den Mitgliedstaaten bereitgestellt werden. Die EU-Kommission meint es – mit der Covid-Pandemie im Nacken – diesmal sehr ernst mit der umfassenden Vernetzung der Gesundheitsdaten.

 

Es besteht ja auch Grund dafür: Elf Jahre nach Inkrafttreten der Patientenmobilitätsrichtlinie 2011/24/EU können erst zehn Mitgliedstaaten miteinander Gesundheitsdaten austauschen. Und auch bei diesen zehn ist das Diensteangebot nur unvollständig implementiert. Deutschland ist bei den zehn noch nicht dabei. Das DVPMG regelt die Anbindung der Bundesrepublik bis 2024. Bei Inkrafttreten der geplanten Verordnung würde dies auch zur europarechtlichen Deadline.

 

Die Verordnung selbst könnte noch durchschlagskräftiger als die Finanzmittel werden:

  • Das Rechtsinstrument EU-Verordnung greift, vgl. EU DSGVO, unmittelbar in nationales Recht.

  • Im Einklang mit der EU DSGVO erhalten Patient:innen europaweit via Smartphone Zugriff auf und Kontrolle über die eigenen Daten. Die bisherigen, grenzüberschreitenden eHealth-Dienste werden damit ebenfalls renoviert. Recht anachronistisch erlauben diese bislang nur Zugriff für Gesundheitsberufe.

  • Die Mitgliedsstaaten werden verpflichtet, den Datenzugriff auch organisatorisch zu unterstützen, es ergeben sich umfassende neue Aufgaben.

  • Die Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten wird ebenfalls verbindlich eingeführt. Damit sind ergänzend Strukturen für „HealthData@EU“ zu schaffen bzw. bestehende Strukturen neu zu orchestrieren. Besonders in diesem Bereich dürfte es noch einigen Diskussionsbedarf geben.

  • Für alle „Datenhalter“ werden umfassende Mitwirkungspflichten definiert, die im Falle von Versorgungsdaten an das Verbot von „Information Blocking“ in den USA erinnern. Patient:innen haben das Recht, dass ihre Daten in elektronischer Form an andere Angehörige der Gesundheitsberufe weitergegeben werden, ohne dass dies von früheren Gesundheitsdienstleistern oder Herstellern behindert wird.

  • Selbstredend werden im Gesamtpaket zeitgemäße interoperable Datenstandards verbindlich vereinbart. Dabei möchte die EU-Kommission das 2019 eingeführte, europäische Austauschformat für elektronische Patientenakten EEHRxF verbindlich machen. Dieses bindet zahlreiche europäisch und international etablierte Standards und Profile zusammen und passt insoweit u.a. mit der deutschen TI gut zusammen.

  • Um Datennutzung und Datenaustausch für die Versorgung und für Forschung und Innovation verbindlich sicherstellen zu können, sollen für elektronische Patientenakten einerseits eine CE-Kennzeichnung und andererseits ein ergänzender Prozess der Selbstzertifizierung, z.B. für Interoperabilität, Sicherheit und Schutz der Privatsphäre, eingeführt werden.

 

Die kommende Verordnung muss jetzt erstmal im Europäischen Parlament beraten werden und dürfte, ähnlich wie die EU DSGVO, noch einige Änderungen erfahren. Allerdings fügt sich die geplante Verordnung in ein bereits bestehendes Geflecht von Regularien ein: Neben der Richtlinie 2011/24/EU und der EU DSGVO wären die Europäische Datenstrategie, der Data Governance Act, der Artificial Intelligence Act und andere zu nennen. Die Chancen stehen damit nicht schlecht, dass sich mit diesem Masterplan der EU-Kommission für Gesundheitsdaten einige lose Enden verbinden lassen.