Die Krankenhausstudie von Roland Berger ist ein zuverlässiger Sensor für das Klima in der Branche. In diesem Jahr hatte sie freilich einen Schönheitsfehler: Im Spätsommer vorgelegt, basierte sie auf einer Befragung im Mai und Juni 2022 – kurz bevor die Energiekrise und ihre Auswirkungen (auch) im Krankenhaussektor mit voller Wucht sichtbar wurden. Beim 16. Meeting am Meer der Digital Avantgarde GmbH, das Mitte September in Heiligendamm stattfand, gab Janes Grotelüschen, Partner bei Roland Berger, einen aktualisierenden Überblick über die Lage der Branche kurz vor dem heißen Herbst 2022.
Ausweg Krankenhausschließungen?
Schon in der Krankenhausstudie gaben 96 % der befragten Krankenhausmanager:innen an, dass sie eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation in den nächsten fünf Jahren erwarten. So viele waren es noch nie: In den Jahren 2017 und 2018 betrug die Quote „nur“ 60 %, kurz vor und dann während der Corona-Pandemie lag sie zwischen 70 % und gut 80 %. Immerhin 69 % der Krankenhäuser erwarten demnach für das laufende Jahr ein Defizit, nur 18 % rechnen mit einem Überschuss. „Das wäre in anderen Industrien nicht vorstellbar“, so Grotelüschen. Besonders knapp ist es demnach bei den öffentlichen Häusern: Hier erwarten 90 % für das laufende Jahr ein Defizit, gegenüber 20 % bei den Häusern in privater Trägerschaft.
Bei der Frage, was die derzeitige Situation bedeutet, waren sich die befragten Klinikentscheider:innen sehr einig. Nur 4 % sehen den Ausweg in weiteren Privatisierungen. Immerhin 31 % erwarten eine noch stärkere Verbundbildung. Und 65 % gehen davon aus, dass es vermehrt zu Krankenhausschließungen kommen wird. „Es tut sich wirklich was im Markt“, so Grotelüschen. „Und das war die Lage im Mai und Juni.“
IT-Budgets sind deutlich gestiegen
Dass der IT bzw. einer zunehmenden Digitalisierung bei dem von vielen als „kalter Strukturwandel“ bezeichneten Umbau der Krankenhauslandschaft eine Schlüsselrolle zukommen wird, gilt als unstrittig. Vor diesem Hintergrund sind ganz aktuelle Daten spannend, die in den letzten Wochen erhoben wurden und die in diesen Tagen als Teil einer weiteren Roland Berger Studie, des IT-Monitors, veröffentlicht werden.
Die Zahlen zeigen vor allem, dass mittlerweile in der Tat substanziell mehr Geld in die Krankenhaus-IT fließt als noch vor wenigen Jahren. Den Anteil der IT-Kosten am Gesamtumsatz beträgt dem IT-Monitor zufolge 2,2 % im Jahr 2022, das sind relativ 16 % mehr als im Vorjahr und fast 50 % mehr als 2017. Gleichzeitig hätten noch immer 44 % aller Krankenhäuser entweder gar keine IT-Strategie oder aber eine IT-Strategie, die nicht in die allgemeine Unternehmensstrategie integriert sei.
Für Prozessthemen fehlt es an Kapazitäten
Grotelüschen betonte, dass Krankenhäuser in Zeiten vielleicht immer noch nicht optimaler, aber zumindest deutlich steigender IT-Budgets zunehmend rechtfertigen müssten, dass dieses Geld gut angelegt ist: „Um Mehrwerte aus den IT-Ausgaben zu generieren, müssten sich die IT-Abteilungen eigentlich stark auf Prozessthemen bzw. Krankenhausprozesse konzentrieren“, so der Berater. Genau das falle vielen aber schwer, und der Grund seien mangelnde Kapazitäten. Viele Häuser seien mit der Aufrechterhaltung des Basisbetriebs und der IT-Sicherheit so stark ausgelastet, dass die Verbesserung von Prozesseffizienz und Versorgungsqualität sowie die wichtige Entwicklung neuer, digitalisierungsbasierter Geschäftsmodelle weitgehend oder komplett hinten runterfalle.
Für Grotelüschen ist die zunehmende Nutzung von Cloud-Anwendungen mit der damit einhergehenden Personalentlastung eine denkbare Möglichkeit, personelle Freiräume für Prozessthemen zu schaffen. Und tatsächlich geben im Roland Berger IT-Monitor immerhin 53 % der Häuser an, in unterschiedlichen einen Wechsel in Richtung Cloud-Anwendungen zu erwägen. Interessanterweise sind es die mittelgroßen Häuser mit 500 bis 1000 Betten, die dem Thema am aufgeschlossensten gegenüberstehen: Immerhin 75 % spielen hier mit dem Gedanken, stärker in die Cloud zu gehen. Als besonders Cloud-geeignet angesehen werden Verwaltungssysteme (67 % Zustimmung) und Arbeitsplatzdienste wie E-Mail (72 % Zustimmung). Immerhin 43 % sehen aber auch das KIS als Kandidaten für die Cloud an, 58 % andere klinische IT-Systeme.
Weitere Informationen
Die Studie zum Download gibt es unter: