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Vernetzung |

Gesetze auf der Zielgeraden

Noch in dieser Woche sollen Digital-Gesetz und GDNG in Sack und Tüten sein. Auf den letzten Metern gibt es einige spannende Änderungen.

Dr. Susanne Ozegowski, Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Leiterin Abteilung 5 – Digitalisierung und Innovation. © TMF e.V.

Sicher ist es noch nicht, aber die Leiterin der Abteilung 5 im Bundesgesundheitsministerium (BMG), Dr. Susanne Ozegowski, gab sich am Dienstag bei der Nationalen Digital Health Konferenz der TMF in Berlin sehr optimistisch: Bis Ende der laufenden Kalenderwoche 50 erwarte sie die Verabschiedung von Digital-Gesetz (DigiG) und Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) durch den Deutschen Bundestag: „Kern beider Gesetze ist die ePA, die endlich nicht nur im SGB V stehen, sondern im wahren Leben einen Nutzen bringen soll.“

 

Sicherheit 2.0: Die VAU soll es richten

Damit die Chancen dafür steigen, wurde auf den letzten Metern noch einiges umgebaut. Insbesondere erhält die ePA eine neue Sicherheitsarchitektur. Von der reinen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung soll Abstand genommen werden. Stattdessen, so Ozegowski, werde die Sicherheitsarchitektur dahingehend modernisiert, dass es künftig möglich wird, Daten aus allen ePAs direkt an das Forschungsdatenzentrum (FDZ) auszuleiten. Bisher war geplant, dass nur Daten jener Versicherten zur Verfügung gestellt werden, die eine ePA-App nutzen. Denn nur dann hätten die Daten entschlüsselt werden können.

 

Das ist offenbar Geschichte. Eine vertrauensvolle Ausführungsumgebung (VAU) soll es ermöglichen, dass auch auf Ebene der ePA-Server Daten verarbeitet werden könne. Das mache nicht nur das Ausleiten von ePA-Daten Richtung FDZ, sondern auch das Arbeiten mit Medizinischen Informationsobjekten (MIOs) deutlich einfacher, sagte Bernd Greve von der mio42. Insbesondere bei der Medikation habe es die Sorge gegeben, dass das umfassende Herunterladen und Entschlüsseln zum Zeitfresser werden könnte. Aber auch zum Beispiel die Suche in der ePA werde einfacher, wenn nicht jedes Mal Daten ins PVS geladen und entschlüsselt werden müssten, so Greve.

 

Ärzt:innen und ePA: Mehr Pflichten, aber auch Entlastung

Die Nutzbarkeit der ePA sei ein weiteres Thema gewesen, das für die Änderungsanträge relevant gewesen sei, betonte Ozegowski. Diesbezüglich wurden zum einen die Dokumentationspflichten der Ärzt:innen noch einmal erweitert. Neben Medikationsdaten und Arzt- und Entlassbriefen sollen auch Befundberichte obligat in die ePA eingestellt werden müssen, sofern der Patient nicht widerspricht. Das Rechtemanagement durch die Patient:innen wiederum solle möglichst von den Arztpraxen ferngehalten werden: „Es geschieht entweder durch die Patienten selbst am Smartphone oder über die Ombudsstelle bei den Krankenkassen für alle, die ein Smartphone haben oder sich keine ePA-App zulegen wollen.“

 

Eine wichtige Teilkomponente der ePA ist die neue digitale Identität, die die Krankenkassen ab 2024 den Versicherten auf Antrag zur Verfügung stellen müssen. Sie wird benötigt, wenn die Versicherten per App Zugriff auf ihre ePA nehmen wollen. Hierfür werde es analog zum Vorgehen beim E-Rezept mehrere Wege geben, so Ozegowski. Die rein digitale Beantragung sei möglich für all jene, die entweder einen elektronischen Personalausweis mit PIN oder eine eGK mit PIN zur Verfügung hätten. Alternativ kann die digitale Identität in der Geschäftsstelle der Krankenkasse, per PostIdent oder über das neue ApoIdent-Verfahren in Apotheken initiiert werden.   

 

Das sind die Daumenschrauben

Um ein wenig Druck in den ePA-Kessel zu bekommen, soll es einige Daumenschrauben geben, bei denen schwer abschätzbar ist, ob und in welchem Umfang sie letztlich genutzt werden. Praxis-IT-seitig sei eine Zertifizierung vorgesehen, so Ozegowski. Im Idealfall werden auf diesem Weg alle nötigen Komponenten fristgerecht eingeführt.

 

Versicherte sollen außerdem ein Recht auf Interoperabilität erhalten, das sie mit Hilfe der jeweiligen Krankenkasse gegenüber dem behandelnden Leistungserbringer einfordern können. Schlimmstenfalls drohe den Leistungserbringern, dass ein kompletter Quartalsumsatz durch die jeweilige KV zurückgehalten werde, so Greve, der das strikt ablehnte. Ein weiteres Druckmittel ist das mittlerweile vieldiskutierte Klagerecht, das IT-Unternehmen die Möglichkeit gibt, Wettbewerber zu verklagen, die sich nicht an konsentierte Standards halten.

 

„Müssen auch die Vergütung ändern“

Wird die ganze neue ePA nun den langersehnten Durchbruch in Richtung stärker intersektoral angelegter Versorgungsprozesse bringen? Alleine nicht, sagte Marcel Weigand, Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD): „Für echte Intersektoralität brauchen wir eine Reform der Vergütung.“ Das heiße nicht, dass die Digitalisierung nachrangig sei, aber zumindest sollte parallel versucht werden, auch die starren Vergütungsregelungen aufzubrechen. Als Beispiel nannte Weigand die von der gematik im Sommer begeistert kommunizierte Option zur Mehrfachverordnung per eRezept. Das werde solange nicht funktionieren, solange das Abrechnungswesen es erfordere, dass die Patient:innen einmal im Quartal bei ihrem Arzt oder ihrer Ärztin auftauchen.

 

Wichtig sind Weigand zufolge neben moderneren Vergütungsmodellen außerdem konsequent hybrid gedachte Versorgungsmodelle. So blieben die Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) bisher deswegen weit hinter den Erwartungen zurück, weil sie „wie ein Exoplanet ins System eingeführt wurden“. Die Konsequenz sei, dass DiGA nur wenig genutzt würden, weil sie sich nicht zwanglos in die Versorgung integrieren: „Mehr als die Hälfte der Ärzte hat noch nie eine DiGA verordnet“, so Weigand. Ob das durch das DigiG besser wird? Vielleicht. Ärztliche Leistungen inklusive telemedizinischer Angebote sollen im Rahmen von DiGA künftig möglich und vergütbar werden. Viele fordern allerdings zusätzlich eine zumindest optionale Jahresvergütung statt der obligaten Quartalsabrechnung. Das könnte dann wirklich Bewegung ins System bringen.