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„Wir brauchen smarte Finanzierungsmodelle“

Die Detailergebnisse der zweiten DigitalRadar-Erhebung zeigen: Es geht aufwärts in Sachen Digitalisierung. Die Politik verspricht auch Fortschritte bei der Finanzierung.

Zur diesjährigen DMEA in Berlin waren bereits die Hauptergebnisse der zweiten Erhebung des auf das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) bzw. den Krankenhauszukunftsfonds (KHZF) zurückgehenden DigitalRadar-Projekts bekanntgegeben worden. Jetzt hat das DigitalRadar-Konsortium in einer Online-Veranstaltung, die sich in erster Linie an die teilnehmenden Kliniken richtete, in die Details geblickt. Das Interesse war groß: Annähernd 550 Teilnehmer:innen hatten sich zugeschaltet.

 

„Tolles Ergebnis“

Prof. Dr. Volker Amelung gab einen Überblick über einige wesentliche Strukturdaten. Demnach geben die deutschen Krankenhäuser jetzt im Schnitt 2,6 % der jährlichen Betriebskosten für IT-Ausgaben aus, nach 2,4 % bei der ersten Erhebung. Die Bruttolohnkosten für Vollzeit-IT-Stellen je Krankenhausbett stiegen von 1385 auf 1627 Euro. Und der Anteil der Krankenhäuser, die mit einer Datenübertragungsrate von unter 500 Mbit/s durch die Versorgung krebsen, sank von 56 % auf nur noch 7 %.

 

Schon bekannt war, dass der durchschnittliche DigitalRadar Score von 33,3 Punkten bei der ersten Erhebung 2021 auf 42,4 Punkte bei der zweiten Erhebung 2024 angestiegen ist. Es wird auch eine dritte Erhebung geben, die derzeit bereits läuft. Maximal können 100 Punkte erreicht werden, nach allgemeinem Schulnotenverständnis kommt die deutsche Kliniklandschaft damit weiterhin über ein „ausreichend“ nicht wirklich hinaus. Immerhin: Die Richtung stimmt. Amelung jedenfalls zeigte sich angetan: „Eine Verbesserung um 27 Prozent ist ein tolles Ergebnis, und ich bin sicher, dass wir in Zukunft noch mehr sehen werden.“

 

Telehealth kann nicht beeindrucken

Interessant sind bei den DigitalRadar-Erhebungen immer die Details. Das DigitalRadar-Modell arbeitet mit sieben Subdimensionen, in denen unterschiedliche Fortschritte erzielt wurden. Abbildung 1 gibt einen Überblick. Zu sehen ist sind die absoluten Punktwerte in den Subdimensionen auf der X-Achse, außerdem der absolute Punktzuwachs auf der Y-Achse. Die Größe der Blasen wiederum spiegelt den relativen Zuwachs. Zusammenfassend: Die Dimension „Strukturen und Systeme“ ist weiterhin die digitalste Dimension in deutschen Krankenhäusern. Sie verzeichnet auch einen ordentlichen absoluten Zuwachs, der wegen des hohen Ausgangsniveaus aber relativ geringer ausfällt als bei den Dimensionen „Klinische Prozesse“ und vor allem „Informationsaustausch“.

 

Den höchsten relativen Zuwachs zeigt die Dimension „Patientenpartizipation“. Weil die allerdings extrem niedrig begann, reichte selbst der hohe relative Zuwachs nicht aus, um die rote Laterne abzugeben. Etwas deprimierend auch die Dimension „Telehealth“, die es auf niedrigem Ausgangsniveau nicht einmal zu einem besonders starken Zuwachs schaffte. Hier ist offenbar noch einiges zu tun, zumal Telehealth-Anwendungen im Zusammenhang mit der Krankenhausreform an Bedeutung gewinnen dürften.

Abbildung 1: Veränderungen des DigitalRadar-Scores nach Subdimensionen. Die Größe der Blasen reflektiert den relativen Zuwachs

 

Blickt man noch etwas mehr ins Detail, dann zeigt sich, dass die Krankenhäuser beim Informationsaustausch mit externen Akteuren, beim Informationsaustausch des (eigenen) klinischen Personals, bei der Integration von Medizingeräten und allgemein bei Interoperabilität überdurchschnittlich investiert zu haben scheinen. „Das sind schon Entwicklungen, die uns hoffen lassen, dass wir zu einem stärker datenaustauschgetriebenen Gesundheitswesen kommen“, sagte Prof. Dr. Alexander Geißler, ebenfalls DigitalRadar-Konsortium.

 

Bremen vor, noch ein Tor!

Für regionale Vergleiche war beim DigitalRadar Event Prof. Dr. Sylvia Thun zuständig. Auf nationaler Ebene hatte Berlin auch bei der zweiten Erhebung die Nase vorn (Abb. 2), gefolgt von einem breiten Mittelfeld von Bundesländern, die sich zwischen 42 und 45 Punkten bewegen. Etwas abgeschlagen waren erneut das Saarland, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Einen ordentlichen Satz nach vorne machte im Tabellenkeller das Bundesland Bremen. Es hängte mit einer Verbesserung um 12,3 Punkte alle anderen Bundesländer deutlich ab und verließ quasi die Abstiegsränge.

Abbildung 2: DigitalRadar Score nach Bundesländern. Berlin oben, Bremen auf der Überholspur, Süden und Norden eher mau.

 

Wie sieht es aus, wenn der DigitalRadar-Score in den EMRAM-Score umgerechnet wird? Auch hier lässt sich ein Aufwärtstrend erkennen (Abb. 3), „Wir sehen weiterhin viele Krankenhäuser auf Stufe 0, aber auch eine klare Entwicklung in Richtung Stufe 1 und höher“, so Thun.

Abbildung 3: Prognostizierte EMRAM18-Einstufung für die deutschen Krankenhäuser

 

Interessant ist der EMRAM-Score vor allem für den internationalen Vergleich (Abb. 4). Der ist immer etwas schwierig, weil es dem DigitalRadar vergleichbare Vollerhebungen in den meisten anderen Ländern nicht gibt. Anders formuliert: Die Krankenhäuser, die sich EMRAM zertifizieren lassen, sind in der Regel eine Positivauswahl, was einen Vergleich erschwert. Besonders deutlich wird das in Abb. 4 an der irrational hohen Quote von US-Häusern auf EMRAM Stufe 6 und 7.

Abbildung 4: EMRAM18-Einstufung im internationalen Vergleich. Interessant vor allem der Vergleich mit Ontario, wo es sich ebenfalls um eine Vollerhebung handelt.

 

Es gibt allerdings eine Ausnahme, die eine gewisse Vergleichbarkeit gestattet, und zwar eine Vollerhebung im kanadischen Bundesstaat Ontario. Hier schneidet Deutschland in der jetzt zweiten DigitalRadar-Erhebung deutlich besser ab, mit „nur“ 55.9 % der Krankenhäuser auf Stufe 0, gegenüber 86,8 % in Ontario. Das, so Thun, sei schon etwas, worauf Deutschland ein bisschen stolz sein könne.

 

Politik: Brauchen smarte Finanzierungsmodelle

Zugeschaltet war bei dem DigitalRadar-Event auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG), in Form von Thomas Süptitz, Leiter des Referats Cybersicherheit und Interoperabilität im BMG. Süptitz betonte, dass der KHZF eine Art Basis für Digitalisierung geschaffen habe, dass dort aber nicht Halt gemacht werden dürfe. Sein Referat, das für die Krankenhausdigitalisierung zuständig ist, habe jetzt zwei wesentliche Themen auf der Agenda. Eines davon: Wie schaffen wir eine langfristige Finanzierung? „Wir brauchen smarte Finanzierungsmodelle, die das sicherstellen, Stichwort Betriebskostenfinanzierung. Und das Versprechen meinerseits lautet, dass wir diese Finanzierungsmodelle schaffen werden.“ Das wurde gern gehört, und so deutlich hatte das bis dato auch noch niemand gesagt. Das zweite zentrale Thema, dass das Ministerium im Bereich Krankenhausdigitalisierung jetzt bearbeiten wolle, so Süptitz, sei die Anschlussfähigkeit an moderne Technologien, Stichwort künstliche Intelligenz.

 

Text: Philipp Grätzel, Chefredakteur E-HEALTH-COM