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Medizin |

Neue Vorgaben für die Telemedizin in Praxen

KBV und GKV Spitzenverband schalten die neuen Qualitätsanforderungen für die Telemedizin und insbesondere Videosprechstunden scharf. Ziel ist eine stärkere Integration in die Versorgung.

Bild: © TimosBlickfang – stock.adobe.com, 675932758, Stand.-Liz.

Mit dem Digitalgesetz hatte der Gesetzgeber den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) beauftragt, eine umfangreichere und stärker qualitätsbezogene telemedizinische Versorgung zu gewährleisten. Eine solche Vereinbarung gemäß § 87 SGB V wurde jetzt geschlossen, und sie trat am 1. März 2025 in Kraft. Die Vereinbarung ergänzt die Vorgaben des Bundesmantelvertrags und der Telekonsil-Vereinbarung gemäß § 367 Abs. 1 SGB V. Kerninhalte der Vereinbarung beziehen sich auf die Erbringung der telemedizinischen Leistungen durch Praxen, die Anschlussversorgung und die Integration der ePA.

 

Die ePA-Nutzung, so vorhanden, soll Pflicht werden

Ein zentraler Punkt ist, dass der Vertragsarzt oder die Vertragsärztin künftig bei der Durchführung von Videosprechstunden und Videokonsilen die ePA verwenden muss, sofern der Patient oder die Patientin eine besitzt und dem Zugriff nicht widersprochen hat. Auch der elektronische Medikationsplan muss im Rahmen der entsprechenden Regelungen genutzt werden bzw. genutzt werden können.

 

Die Vereinbarung betont außerdem, dass Vertragsärzt:innen grundsätzlich „im Rahmen des medizinisch Sinnvollen und unter Berücksichtigung der organisatorischen Verpflichtungen“ Videosprechstunden anbieten sollen. Das ist einerseits eine deutlich Ansage, lässt aber andererseits sehr viele Spielräume, es im Zweifel auch nicht zu tun. Auf fachärztlicher Ebene gibt es eine ähnliche Soll-Formulierung für die Abgabe (tele)konsiliarischer Beurteilungen. Und auch hier soll die ePA verpflichtend ins Boot kommen, sofern vorhanden.

 

Der Zugang zur Videosprechstunde muss niedrigschwellig und diskriminierungsfrei sein. Das impliziert, dass Termine nicht nur online vereinbart werden können und dass die Art der Kostenträgerschaft keine Priorisierung triggern darf. An dieser Stelle gibt es auch tatsächlich eine Muss-Formulierung: „Eine Priorisierung der Vergabe von Terminen für Videosprechstunden muss ausschließlich auf Basis der medizinischen Behandlungsbedürftigkeit erfolgen.“ Verlangt wird außerdem verpflichtend der Einsatz eines Tools für die medizinische Ersteinschätzung.

 

Versuch einer Regionalisierung

Als am interessantesten und wahrscheinlich kontroversesten dürfte der §7 der Vereinbarung wahrgenommen werden. Er ist übertitelt mit „Räumliche Nähe von Arzt und Patient“. Demnach müssen die Termin-Tools für Videosprechstunden ab September 2025 eine „vorrangige Vergabe von Videosprechstunden an Patienten sicherstellen, die ihren Wohnort oder ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in der räumlichen Nähe zum Praxissitz haben“. Der Notdienst und Zweitmeinungs-Konsultationen sind von dieser Regelung ausgenommen.

 

Ziel der Regelung ist es, eine strukturierte Anschlussversorgung sicherzustellen, die in §10 der Vereinbarung weiter ausgeführt wird. Demnach ist der Vertragsarzt oder die Vertragsärztin verpflichtet, nach einer Videosprechstunde für eine strukturierte Anschlussversorgung zu sorgen, wenn die Videosprechstunde nicht ausreicht, um das Problem zu lösen. Das kann ein Termin in der eigenen Praxis sein, aber auch z.B. eine Überweisung zu einem Facharzt oder einer Fachärztin. Ebenso muss sichergestellt werden, dass Rezepte oder Folgerezepte den Patient:innen am selben Tag zur Verfügung stehen oder Minimum taggleich versendet werden.

 

Nix arbeiten wo andere Urlaub machen

Die Vereinbarung definiert außerdem eine Reihe von Voraussetzungen für telemedizinische Angebote, die über die bisherigen Regelungen für Videosprechstunden hinausgehen. So müssen Videosprechstunden, die außerhalb der Praxis angeboten werden, an einem vollausgestatteten Telearbeitsplatz erbracht werden, der einen geschlossenen Raum erfordert, eine telefonische Erreichbarkeit und einen Anschluss an die Telematikinfrastruktur. Das Ganze muss außerdem im Inland erfolgen.

 

Die üblichen Praxisöffnungszeiten dürfen durch die Telemedizin zudem nicht kompromittiert werden. Insbesondere sind außerhalb der jeweiligen Praxis durchgeführte Videosprechstunden nicht auf die in § 19a Ärzte-Zulassungsverordnung definierte Mindestsprechstundenzeit anrechenbar. Auch in der Praxis außerhalb der normalen Öffnungszeiten durchgeführte Videosprechstunden sind nicht anrechenbar. Nicht erlaubt sein sollen künftig schließlich Videosprechstunden, die ausschließlich einer bestimmten Leistung dienen. Das dürfte in erster Linie auf die Tele-eAU zielen.

 

Wenige Reaktionen bisher

Die Reaktionen auf diese doch recht bemerkenswerte Vereinbarung sind bisher verhalten, insbesondere von Versorgerseite, was vermutlich auch der sonstigen Nachrichtenlage im Zusammenhang mit den Neuwahlen geschuldet ist. KBV und GKV-SV loben sich erwartungsgemäß selbst. Der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung (SVDGV) wiederum äußert deutliche Kritik, unter anderem an der Pflicht zu einem Tool für die Ersteinschätzung. Letztere sind Medizinprodukte, entsprechend aufwändig ist es, sie zu entwickeln bzw. entsprechend teuer, externe Tools zu nutzen.

 

Auch die Regionalisierung sieht der SVDGV kritisch, mit Verweis auf chronische und seltene Erkrankungen. Das Verbot telemedizinischer Termine allein zum Zweck einer bestimmten Leistung wird abgelehnt, wobei hier auf Folgerezepte verwiesen und der eigentliche Elefant im Raum, die eAU, umschifft wird. Bemängelt wird schließlich auch noch, dass die Obergrenze für telemedizinische Leistungen von 30 Prozent pro Quartal entgegen dem ausdrücklichen Wunsch des Gesetzgebers bisher nicht angehoben wurde und auch mit der neuen Vereinbarung nicht angehoben wird. Seitens des bvitg e.V, und seiner Projektgruppe Telemedizin gibt es bisher nur eine kurze Meinungsäußerung auf LinkedIn mit ähnlichem Tenor.

 

Weitere Informationen:

Vereinbarungen über die Anforderungen für die Sicherheit der Versorgungsqualität von telemedizinischen Leistungen gemäß § 87 Absatz 20 SGB V;

https://www.kbv.de/media/sp/Anlage_31c_BMV-__Vereinbarung_Versorgungsqualitaet_telemedizinischer_Leistungen.pdf